28.08.2021

Für ihr uner­schro­cke­nes Enga­ge­ment für Boots­flücht­lin­ge, die auf dem Mit­tel­meer in See­not gera­ten, hat die Stif­tung PRO ASYL am Sams­tag ihren Men­schen­rechts­preis 2020/21 an das Netz­werk von Watch the Med – Alarm Pho­ne verliehen.

Stell­ver­tre­tend für die rund 200 ehren­amt­li­chen Aktivisten*innen des Netz­wer­kes nah­men Mari­on Bay­er (Hanau) und Hagen Kopp (Hanau) die Aus­zeich­nung – die Plas­tik der PRO ASYL-Hand von Ari­el Aus­len­der – am 28. August 2021 in Frank­furt am Main ent­ge­gen. Alarm­pho­ne-Mit­glied Hela Kana­ka­ne aus Tunis hat­te eine Video­bot­schaft vor­be­rei­tet. „Wir sind die, die jeden Stein aus einer Mau­er ent­fer­nen und zu einer Brü­cke hin­zu­fü­gen“, erklär­te sie bild­lich die Arbeit der ehren­amt­li­chen Helfer*innen. „Die­se Orga­ni­sa­ti­on leis­tet Gewal­ti­ges. Sie hat die Leben von so vie­len Men­schen geret­tet, die nach Schutz such­ten“, lob­te Lau­da­to­rin Tine­ke Strik, Mit­glied des Euro­päi­schen Par­la­ments, in ihrer zuvor auf­ge­zeich­ne­ten Laudatio.

Kon­takt zu 3.700 Booten

Seit 2014 beant­wor­tet das Alarm Pho­ne rund um die Uhr an sie­ben Tagen in der Woche Not­ru­fe von Schutz­su­chen­den, die die lebens­ge­fähr­li­che Über­fahrt nach Euro­pa wagen. So stand das Alarm Pho­ne bis­her mit mehr als 3.700 Boo­ten in Kon­takt und ver­such­te alles, um die Ret­tung der Men­schen sicher­zu­stel­len. Und die Aktivist*innen des Netz­werks doku­men­tie­ren und ver­öf­fent­li­chen unter­las­se­ne Lebens­ret­tun­gen, sys­te­ma­ti­sche Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, völ­ker­rechts­wid­ri­ge Push­backs sowie das Zurück­schaf­fen von Tau­sen­den von Boots­flücht­lin­gen in die liby­schen Haft- und Folterlager.

Damit trot­zen die Alarm Pho­ne-Akti­vis­ten allen Ver­su­chen, den Zugang zu Schutz in Euro­pa zu blo­ckie­ren, blei­ben dabei stets an der Sei­te der Schutz­su­chen­den und ver­tei­di­gen kon­se­quent das Recht auf Leben. „Denn im Mit­tel­meer sind weder der Zugang zu Schutz in Euro­pa noch die See­not­ret­tung sicher­ge­stellt. Immer wie­der wird das Alarm Pho­ne zum Zeu­gen von Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen: von Ret­tun­gen, die ver­zö­gert wer­den oder gänz­lich aus­blei­ben; vom tau­send­fa­chen Zurück­schlep­pen durch die soge­nann­te liby­sche Küs­ten­wa­che; von ille­ga­len Push­back-Ope­ra­tio­nen. In all sol­chen Fäl­len hält das Alarm Pho­ne den Kon­takt zu den Betrof­fe­nen so lan­ge es geht auf­recht und stellt eine inter­na­tio­na­le Öffent­lich­keit her, um Druck auf die zustän­di­gen Behör­den auf­zu­bau­en“, sag­te Andre­as Lipsch, Vor­sit­zen­der des Stif­tungs­ra­tes der STIFTUNG PRO ASYL, als er die Urkun­den vor rund 150 Anwe­sen­den über­reich­te. Die Ver­an­stal­tung fand am Frank­fur­ter Ost­ha­fen auf dem Gelän­de von Jazz Mon­tez beim Kunst­ver­ein Fami­lie Mon­tez statt. Zwi­schen den Gesprächs­bei­trä­gen spiel­te die Jazz­band „Car­mi­no“.

Dem Mor­den auf dem Mit­tel­meer ein Ende setzen

Die Aus­ge­zeich­ne­te Mari­on Bay­er erin­ner­te an die Grün­dung des Alarm Pho­ne nach dem gro­ßen Schiffs­un­glück im Okto­ber 2013 vor Lam­pe­du­sa und vie­len wei­te­ren geken­ter­ten Boo­ten: „Hun­der­te wei­te­re Men­schen, die stun­den­lang um Hil­fe rie­fen, und Mal­ta und Ita­li­en, die jeweils die Zustän­dig­keit von sich wie­sen, bis das Boot schließ­lich sank und vie­le ertran­ken. Da haben wir es ein­fach nicht mehr aus­hal­ten kön­nen, es nicht zu ver­su­chen.“ Mit dem Ent­ste­hen der zivi­len See­not­ret­tung auf dem zen­tra­len Mit­tel­meer hät­ten sie erlebt, dass auch vie­le ande­re etwas tun woll­ten, „um dem Mor­den auf dem Mit­tel­meer ein Ende zu setzen“.

Mari­on Bay­er berich­te­te zudem von  den zahl­rei­chen ille­ga­len Pus­backs, zum Bei­spiel  in der Ägä­is: Alarm Pho­ne und ande­re wie die grie­chi­sche Part­ner-Orga­ni­sa­ti­on von PRO ASYL, “Refu­gee Sup­port Aege­an” haben „Bewei­se dafür gesam­melt, dass Men­schen in tür­ki­schen Gewäs­sern in Ret­tungs­in­seln im Meer aus­ge­setzt wur­den. Oft­mals, nach­dem sie von der grie­chi­schen Küs­ten­wa­che geret­tet wor­den waren oder sogar, nach­dem sie bereits eine der Inseln erreicht und um Asyl gebe­ten hat­ten. Ein­mal waren die Men­schen, die sich schluss­end­lich in Ret­tungs­in­seln in tür­ki­schem Gewäs­ser  wie­der­fan­den, zuvor nahe Kre­ta aus See­not geret­tet wor­den, also mehr als 200 km weit von der tür­ki­schen See­gren­ze entfernt.“

Recht auf Zugang zu Asyl bedroht

Auch MdEP Tine­ke Strik beklag­te eine „Atmo­sphä­re der Straf­lo­sig­keit“ und warn­te: „Das Recht auf den Zugang zu Asyl war noch nie so bedroht wie heu­te.“ Sie for­der­te: „Wir brau­chen ein gesetz­li­ches Ver­bot der Kri­mi­na­li­sie­rung huma­ni­tä­rer Orga­ni­sa­tio­nen, die Migran­ten an See- und Land­gren­zen retten.

Ste­fan Schmidt, Flücht­lings­be­auf­trag­ter des Bun­des­lan­des Schles­wig-Hol­stein und ehe­ma­li­ger Kapi­tän auf dem Schiff Cap Ana­mur, der im Jahr 2006 den ers­ten Men­schen­rechts­preis der Stif­tung PRO ASYL bekam, hat­te eben­falls eine Video­bot­schaft geschickt. In die­ser wür­dig­te er die Arbeit der Menschenrechtsaktivist*innen mit den Wor­ten: „Ich wüss­te nicht, was man bes­ser machen könnte.“

Nach der Ret­tung heißt es „Boza“

Dass die ehren­amt­li­chen Aktivist*innen von Alarm Pho­ne aber auch psy­chisch an ihre Gren­zen gehen, zeig­te ein­drucks­voll die Schil­de­rung von Men­schen­rechts­ak­ti­vis­tin Bay­er: „Es ist kaum aus­zu­hal­ten, wenn auf ein­mal die Stil­le kommt, weil die Stim­me am ande­ren Ende der Lei­tung am Was­ser erstickt ist.“ Hagen Kopp berich­te­te aber auch von posi­ti­ven Momen­ten: „,Boza‘ bedeu­tet ‚geschafft‘ oder ‚Sieg‘ in meh­re­ren west­afri­ka­ni­schen Dia­lek­ten. ‚Boza‘ ist der Freu­den­ruf der Migrant*innen, die es geschafft haben, die ‚Fes­tung Euro­pa‘ zu über­win­den. Und ‚Boza‘ schallt es auch durch die Signal-Chats und Email­lis­ten des Alarm Pho­ne, wenn Boo­te es bis zur Küs­ten geschafft haben oder – oft nach vie­len Tagen ban­gem War­ten und Hof­fen – gefun­den und geret­tet wurden.“

Den Men­schen­rechts­preis ver­leiht die Stif­tung PRO ASYL seit 2006  jähr­lich an Per­so­nen, die sich in her­aus­ra­gen­der Wei­se für die Ach­tung der Men­schen­rech­te und den Schutz von Flücht­lin­gen ein­set­zen. Der Preis ist mit 5.000 Euro und der Plas­tik der PRO-ASYL-Hand des  Künst­lers Ari­el Aus­len­der, Pro­fes­sor an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Darm­stadt, dotiert. Dies­mal ist er mit 10.000 Euro dotiert, weil er für 2020 und 2021 zusam­men ver­ge­ben wird. 

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