01.07.2014
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Mehrere Überstellungen konnten Osnabrückerinnen und Osnabrücker bereits verhindern, indem sie die Zugänge zur Flüchtlingsunterkunft blockierten.

Ziviler Ungehorsam in Serie: Gleich mehrere Abschiebungen haben Osnabrücker Bürgerinnen und Bürger innerhalb weniger Wochen verhindern können. Wie haben sie das gemacht? Und was kann man daraus lernen? Darüber sprachen wir mit Philipp Ströhle, der die Proteste mitorganisiert.

Am Diens­tag letz­te Woche habt Ihr zum wie­der­hol­ten Mal eine Abschie­bung in Osna­brück ver­hin­dert. Wor­um ging es und wie habt Ihr das gemacht?

Es ging um einen jun­gen Paki­sta­ni, der zum wie­der­hol­ten Mal nach Ungarn abge­scho­ben wer­den soll­te. Der Mann befürch­te­te ganz kon­kret, dass er ins Gefäng­nis zurück muss. Wir haben uns dann mor­gens vor der Unter­kunft getrof­fen. Die Über­stel­lung war für sechs Uhr vor­ge­se­hen. Mehr als hun­dert Men­schen waren da und haben den Ein­gang blockiert.

Das war die fünf­te Abschie­bung, die Ihr ver­hin­dert habt. Wie hat es damit angefangen?

Als im Rosen­platz­quar­tier eine neue  Geflüch­te­ten­un­ter­kunft bezo­gen wur­de, hat sich im Stadt­teil­bü­ro eine Arbeits­ge­mein­schaft „Flücht­lings­hil­fe“ gebil­det. Es wur­den Sprach­kur­se ange­bo­ten, Fahr­rä­der wur­den zur Ver­fü­gung gestellt und Spen­den gesam­melt. Über den Kon­takt mit den geflüch­te­ten Men­schen haben wir mit­be­kom­men: Ok, jetzt brennt es. Jetzt bekom­men alle ihre Abschie­be­be­schei­de, wir müs­sen etwas tun.

Wie erfahrt Ihr von den Abschiebungen?

Abschie­bun­gen wer­den in Nie­der­sach­sen zur Zeit noch ange­kün­digt. Die Geflüch­te­ten kom­men dann mit dem Brief zu uns, auch des­halb, damit wir ihnen den Inhalt über­set­zen können. 

Wie kamt Ihr auf die Idee mit den Blockaden?

Ein Geflüch­te­ter in unse­rer NoLa­ger-Grup­pe hat plötz­lich so einen Brief bekom­men. Wir waren scho­ckiert und über­for­dert und haben lan­ge dis­ku­tiert. Am Ende haben wir ein­fach ent­schie­den: Wenn die Abschie­bung um drei Uhr nachts statt­fin­den soll, dann blei­ben wir eben solan­ge auf und las­sen ihn nicht allei­ne. Als dann die Abschie­bung nicht statt­ge­fun­den hat, weil wir vor der Tür stan­den, waren wir sehr überrascht.

Wie ist das genau abge­lau­fen und wie hat die Poli­zei damals reagiert?

Die Beam­ten von der Aus­län­der­be­hör­de waren ziem­lich ver­wun­dert, dass da 40 Leu­te vor der Tür stan­den. Dann haben sie die Poli­zei geru­fen. Die woll­te kei­nen Stress. Sie haben gesagt: Wenn  ihr uns nicht her­ein­lasst, dann gehen wir eben wie­der. Da haben wir zum ers­ten Mal gese­hen, dass eine Abschie­bung nicht ein­fach statt­fin­den muss.

Müs­sen die Leu­te, die sich betei­li­gen, mit Straf­an­zei­gen oder ande­ren Pro­ble­men rechnen?

Aus­ge­schlos­sen ist das nicht. Wir haben uns natür­lich schon Gedan­ken dar­über gemacht. Was ist, wenn ich die Ver­samm­lung anmel­de, und jemand wehrt sich oder lässt sich weg­tra­gen? Ist das viel­leicht eine Ord­nungs­wid­rig­keit, erstat­tet die Poli­zei dann Anzei­ge wegen ver­meint­li­chen Wider­stands gegen die Staats­ge­walt? Aber dann müss­te die Poli­zei erst­mal aktiv wer­den. Momen­tan habe ich das Gefühl, dass sie sich hier sehr stark zurück­hält und kei­ne Eska­la­ti­on pas­sie­ren soll.

Das lädt zum Nach­ah­men ein. Uns fra­gen immer wie­der Leu­te, wie sie bei sol­chen Aktio­nen mit­ma­chen oder bei sich vor Ort aktiv wer­den kön­nen. Hast Du einen Tipp?

Wir soll­ten den Mut haben, auf­zu­ste­hen – dass es sich loh­nen kann, sieht man am Bei­spiel Osna­brück. Man kann natür­lich die Bedin­gun­gen nicht in jeden belie­bi­gen Ort kopie­ren. Offen­sicht­lich ist ja die Poli­zei in Osna­brück sehr zurück­hal­tend. Das heißt ja nicht, dass es in  ande­ren Städ­ten auch so sein muss. Leider.

Wor­an soll­ten Leu­te, die ähn­li­che Aktio­nen machen wol­len, denken?

Wir haben ein sehr brei­tes Bünd­nis. Es neh­men Men­schen aus Kir­chen­ge­mein­den, aus Ver­ei­nen und Orga­ni­sa­tio­nen und aus der brei­ten Gesell­schaft teil: Pro­fes­so­rin­nen, Leh­re­rin­nen, Geflüch­te­te, Aus­zu­bil­den­de, Stu­die­ren­de sowie Rent­ne­rin­nen. Das ist ein ganz wich­ti­ger Punkt. Vor allem der kirch­li­che Aspekt scheint mir in Osna­brück sehr bedeu­tend zu sein.

Über euch wird ja viel berich­tet, wel­che Rol­le spie­len die Medien?

Sobald die Tele­fon­ket­te beginnt, bekommt die Pres­se das über per­sön­li­che Kon­tak­te von Leu­ten auf der Lis­te mit. Es ist sehr wich­tig, dass die Osna­brü­cker Zei­tung jedes Mal vor Ort ist, foto­gra­fiert und berich­tet. Es ist schon ein Schutz, auf der Titel­sei­te der Regio­nal­zei­tung zu sein.

Was sagt Ihr zu Vor­wür­fen, Ihr wür­det die Durch­set­zung von Geset­zen mit mili­tan­ten Mit­teln verhindern?

Wenn ich mir anschaue, wie die Bun­des­re­pu­blik und die Euro­päi­sche Uni­on in der Welt Krie­ge zur Durch­set­zung von Men­schen­rech­ten füh­ren und die­se dann im eige­nen Ter­ri­to­ri­um selbst mit Füßen tre­ten, dann sehe ich das, was wir machen, nicht als Ver­stoß, son­dern als Geburts­hil­fe für das Menschenrecht.

Wie war das bei Dir per­sön­lich, war­um bist du gegen Abschie­bun­gen aktiv geworden?

Ich bin in Osna­brück Stu­dent der Migra­ti­ons­wis­sen­schaf­ten und bin über mei­ne Freun­din zu der NoLa­ger-Grup­pe gekom­men. Wenn wir es hier in Osna­brück, in einer Frie­dens­stadt mit einer gro­ßen Zivil­ge­sell­schaft, nicht schaf­fen, die­se unmensch­li­chen Dub­lin-Abschie­bun­gen zu ver­hin­dern oder zumin­dest zu skan­da­li­sie­ren, wo soll es dann mög­lich sein? Wenn in Deutsch­land immer nur auf die ande­ren Län­der gezeigt wird, statt den Men­schen hier zu hel­fen, dann fra­ge ich, was ist denn eigent­lich der Bei­trag Deutsch­lands zu den Flucht­ur­sa­chen in der Welt? Da muss man sagen, dass Deutsch­land hier sehr viel mehr Ver­ant­wor­tung hat, als öffent­lich wahr­ge­nom­men wird.

Das Inter­view führ­ten wir mit Phil­ipp Ströh­le, Stu­dent der Migra­ti­ons­wis­sen­schaf­ten, NoLa­ger und Bünd­nis gegen Abschie­bun­gen in Osnabrück.

Wie Sie sich vor Ort betei­li­gen und die Aktio­nen unter­stüt­zen kön­nen, erfah­ren Sie auf der NoLa­ger-Sei­te: http://lagerhesepe.blogsport.eu/

Update: Am 1. Juli 2014 wur­de in Osna­brück erneut eine Abschie­bung durch eine Blo­cka­de ver­hin­dert.

Update: Am 2. Juli 2014 wur­de eine wei­te­re Abschie­bung verhindert.