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Welcome United 03

Der Potsdamer Verein SV Babelsberg 03 ist der erste, der eine Flüchtlingsmannschaft in den regulären Ligabetrieb integriert. PRO ASYL hat mit Alexander Bosch über das Team „Welcome United 03“ und die Hürden für Flüchtlinge im Profifußball gesprochen.
Wie kam es dazu, dass der SV Babelsberg 03 eine Refugee-Mannschaft aufgestellt hat?
Das war ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Das Fanprojekt Babelsberg hatte schon seit mehreren Jahren eine Integrationsfußballmannschaft, außerhalb der Vereinsstruktur. Darin haben Flüchtlinge eines Potsdamer Flüchtlingsheims und Fußballfans gemeinsam gespielt. Im Frühjahr fragte die ehrenamtlich tätige Seelsorgerin Manja Thieme beim Verein nach Trainingszeiten auf dem Fußballplatz für einige weitere Flüchtlinge. Da entschloss sich der Verein, diese Spieler noch einen Schritt weiter zu integrieren, und den Verein für sie zu öffnen. Dies haben wir sehr begrüßt und unser Projekt ebenfalls integriert. Zusammen sind wir jetzt Welcome United beim SV Babelsberg 03.
Warum habt die Flüchtlinge nicht in andere Mannschaften integriert, sondern ein Team nur mit Refugees gebildet?
Es blieb uns gar nichts anderes übrig. Das Projekt ist im Juni entstanden, als die Saison-Anmeldung und Zusammenstellung der Mannschaften schon erfolgt war. Eventuell machen wir zwei Mannschaften daraus, weil das Interesse von Flüchtlingen sehr groß ist. Trotzdem soll die Mannschaft ab der nächsten Saison am regulären Ligabetrieb teilnehmen. Dann soll auch ein Austausch von Spielern mit den anderen Mannschaften des Vereins stattfinden. Damit es irgendwann nicht mehr als Besonderheit wahrgenommen wird, wenn Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlinge zusammenspielen. Wir wollen erreichen, dass Flüchtlinge ganz normal im Verein spielen können. Und wir sagen: Habt keine Berührungsängste, glaubt euren Vorurteilen nicht. Lasst die Leute Fußball spielen!
Wie wichtig ist antirassistische Arbeit mit Fußballfans?
Diese Arbeit ist gar nicht zu unterschätzen! Gerade in der aktuellen Lage, mit der Hogesa-Problematik oder der politischen Debatte um den Umgang mit Flüchtlingen, muss man Fußballfans für rassistische Propaganda sensibilisieren und antirassistisch mit ihnen arbeiten. Damit sie zum Beispiel die platten Parolen von AfD und CDU/CSU gegen angeblichen Sozialmissbrauch also solche erkennen und sich für, nicht gegen Flüchtlinge stark machen!
Welche Aufstiegschancen bietet Ihr Flüchtlingen?
Wenn sie ihre Spielerpässe bekommen haben, sollen ambitionierte Spieler auch in der zweiten Mannschaft spielen können. Mit der ersten Mannschaft, die in der Regionalliga spielt, ist es allerdings noch schwierig. Das ist dann Profifußball.
Welche rechtlichen Beschränkungen müssen Flüchtlinge im Fußball erdulden? Ihr hattet einen Spieler aus Kamerun, der dort in der Profiliga gespielt hat. Bei Euch durfte er nicht als Profi antreten.
Ja, dieser Spieler trainiert inzwischen gar nicht mehr bei uns. Der Haken ist der, dass Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis brauchen. Eine weitere Hürde besteht seitens der Vereine. Wenn jemand nur geduldet oder noch im Asylverfahren ist, spielt die Sorge hinein, dass er kurz nach Beginn seiner Verpflichtung das Land wieder verlassen muss. Wir wünschen uns hingegen, dass Profifußballer ihren Beruf hier ausüben dürfen, auch ohne dauerhaften Aufenthalt. Wenn jemand das Talent und Interesse hat, werden wir uns für eine Arbeitserlaubnis einsetzen. Die meisten wollen aber eigentlich nur Fußball spielen.
Mit der Aufnahme in den Verein können Flüchtlinge an regulären Ligaspielen teilnehmen, von denen sie sonst ausgeschlossen wären. Welche weiteren konkreten Verbesserungen bringt eine Mitgliedschaft für Flüchtlinge?
Vereinsmitglieder können ihre Interessen wahrnehmen und sind bei Mitgliederversammlungen stimmberechtigt. Als Vereinsmitglieder sind Flüchtlinge zudem versichert. Wenn sich ein Flüchtling beim Training oder während eines Spiels verletzt, übernimmt die Versicherung des Vereins die Kosten. Flüchtlinge brauchen dann keine Angst mehr vor Verletzungen haben.
Asylsuchenden steht nur eine medizinische Notversorgung zu…
Ohne die Vereinsmitgliedschaft könnte es im Zweifelsfall zu Schwierigkeiten kommen, wer die Behandlungskosten tragen muss. Ich bin in dieser Frage kein Experte, aber man hört und liest immer wieder von Zugangsschwierigkeiten zu medizinischer Versorgung. Dieser Unsicherheit möchten wir entgehen. Gleichzeitig möchten wir Flüchtlinge vor finanziellen Mehrbelastungen schützen. Deshalb werden sie nach der Aufnahme per Vorstandsbeschluss vom Beitrag befreit. Diese Möglichkeit haben alle Fußballvereine. In Bayern übernimmt zum Beispiel der Landessportverband (BLSV) die kompletten Kosten für die Sportversicherung aller Flüchtlinge und Asylbewerber, die Sport treiben möchten.
Welche Hürden gibt es außerdem noch für Asylsuchende im Fußball?
Der DFB prüft, ob ein Spieler im Herkunftsland beim Profifußball gemeldet war, wenn nicht, gibt er sein ok. Flüchtlinge kommen aber in der Regel aus Staaten, in denen solche Strukturen gar nicht mehr existieren. Hier müsste der DFB bei Flüchtlingen einen Mechanismus finden, die Anträge schneller zu bearbeiten. Bei einigen Verbänden scheint auch einfach der politische Wille zur Integration zu fehlen – das ist der subjektive Eindruck vieler.
Eure Profispieler laufen mit „Refugees Welcome“-Trikots auf. Wie einfach oder schwierig war es, das beim Verband durchzusetzen?
Das war eine spannende Frage, weil man Trikots bereits vor der Saison beim Verband anmelden muss, also welchen Sponsor und welche Farben man hat. Das ist nachträglich nur unter bestimmten Bedingungen zu ändern. Aber der Nordostdeutsche Fußballverband hat überraschenderweise positiv reagiert – ein Werbepartner hätte vielleicht eher Nachfragen gestellt.
Was haben die Fans dazu beigetragen, dass es das Refugee-Team gibt?
Wir als soziopädagogisches Fanprojekt arbeiten eng mit unseren Fans zusammen und die haben die Flüchtlingsproblematik schon seit Jahren auf dem Schirm. So haben sie z. B. eine große Choreo mit „Refugees Welcome“ präsentiert, dieser Satz wurde auch auf eigene Fan-T-Shirts gedruckt oder hängt immer als Zaunfahne im Stadion. Nordkurve Babelsberg ist dann auch Trikotsponsor geworden, da der SV Babelsberg 03 leider finanzielle nicht auf Rosen gebettet ist. Wir als Fanprojekt haben Gelder bei der Aktion Mensch für dieses Integrationsprojekt beantragt. Um solche Fördergelder zu bekommen, muss man sich leider auch hineinfuchsen, Zeit investieren, Internetrecherche betreiben, sich umhören. Trotzdem ist da eine Menge möglich.
Welcome United 03 tritt gegen andere Flüchtlingsteams an, gerade kürzlich habt Ihr einen Aktionstag zum Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik veranstaltet…
Ja, die Fans möchten sich noch weitergehend engagieren. Gerade planen wir Deutschunterricht von Fans für Flüchtlinge. Auf einem Netzwerktreffen haben wir diskutiert, was wir Aktiven, die für das Thema schon ein Bewusstsein haben, tun können, um Flüchtlinge weiter zu integrieren, um auch anderen Vereinen die Angst zu nehmen, Flüchtlinge zu integrieren. Oft haben sie Interesse, aber den letzten Schritt machen sie nicht.
Ihr habt diesen Schritt nun getan. Welche politische Signalwirkung erhofft Ihr Euch von Eurem Engagement für Flüchtlinge?
Ganz klar: Wir möchten eine wirkliche Integration in die deutsche Gesellschaft. Wir möchten eine Willkommenskultur nicht nur auf dem Papier stehen haben, sondern auch zeigen, dass wir sie leben und ernst meinen. Wir wollen keinen Moralapostel spielen, sondern zeigen: Integration ist möglich. Die Grundidee in Babelsberg, und das gilt für Fansszene, Verein und Fanprojekt, ist: Flüchtlinge, die hierhergekommen sind und hier bleiben möchten, dürfen das, sollen das tun. Und sie sollen in die Gesellschaft integriert werden.
Was kann der Fußball dazu beitragen? Was sind deine Forderungen an die Fußballvereine?
Von den Amateurvereinen wünsche ich mir, dass sie auf Flüchtlinge zugehen, und sagen: Wir brauchen noch Schiedsrichter, wir brauchen noch Spieler und habt ihr nicht eventuell Lust dazu? In vielen ländlichen Regionen werden schon Jugendmannschaften abgemeldet, weil ihnen die Spieler fehlen. Es gibt aber mit Flüchtlingen ein Spielerpotential, das von den Vereinen nicht abgerufen wird. Fanclubs können bei ihrem Verein nach Möglichkeiten anfragen, einen Trainingsplatz zu bekommen und dann Kontakt zu einer örtlichen Flüchtlingsunterkunft aufnehmen. Sie können Spendensammlungen organisieren, Flüchtlinge zum Heimspiel mitnehmen und dafür beim Verein nach Karten fragen. Fanclubs können in der Szene dafür sensibilisieren, dass man keine Angst haben muss, sich für die Integration von Flüchtlingen stark zu machen.
Wo siehst du die Verbandsebene in der Pflicht, was müssen politisch Verantwortliche tun?
Im Profifußball ist häufig Tenor, dass sei nicht Sache des Fußballs, sondern der Politik. Da sage ich: Fußball ist Teil der Gesellschaft. Die Gesellschaft ist nun mal politisch und da muss man auch seiner Verantwortung gerecht werden. An die Spitzenverbände habe ich zwei Forderungen: Flüchtlingen den Zugang zu erleichtern und die Verbandsmitglieder zu animieren, sich in diesem Themenfeld mehr zu engagieren. Von der Politik wünsche ich mir, dass damit aufgehört wird, Vorurteilen gegen Flüchtlinge und Rassismus Vorschub zu leisten. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wir brauchen eine wirkliche Willkommenskultur die auch gelebt wird. Das bedeutet auch, dass sie von der Politik selbst gelebt wird, statt Vorurteile und Ängste zu schüren.
Alexander Bosch ist Sozialarbeiter des sozialpädagogischen Fanprojekts Babelsberg der Stiftung SPI