03.01.2012
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"Brandenburg - Neue Perspektiven entdecken" - so jedenfalls der Slogan des Bundeslandes.

Brandenburgs Innenminister Woidke lobt die Lockerung der Residenzpflicht in Berlin und Brandenburg. Doch dürfen sich dort manche Flüchtlinge auch weiterhin nicht frei bewegen.

Nach Ansicht von Bran­den­burgs Innen­mi­nis­ter Diet­mar Woid­ke (SPD) hat sich die im Juli 2010 in Kraft getre­te­ne Locke­rung der Resi­denz­pflicht voll bewährt. Vor die­sem Datum war es Asyl­su­chen­den und Gedul­de­ten nicht gestat­tet, den ihnen zuge­wie­se­nen Land­kreis zu ver­las­sen, ohne vor­her bei der Aus­län­der­be­hör­de eine soge­nann­te „Ver­las­sen­ser­laub­nis“ ein­zu­ho­len – Ver­stö­ße wur­den beim ers­ten Mal als Ord­nungs­wid­rig­keit und dann sogar als Straf­tat geahndet.

Seit ein­ein­halb Jah­ren nun dür­fen sich die meis­ten Betrof­fe­nen in den Gren­zen des Bun­des­lands frei bewe­gen und, sofern sie eine spe­zi­el­le Dau­er­erlaub­nis erhal­ten, auch in Ber­lin auf­hal­ten. Woid­ke beton­te, dass die von Geg­nern der Locke­rung befürch­te­ten Kon­se­quen­zen „wie ver­stärk­tes Unter­tau­chen, Zunah­me von Straf­ta­ten, Ver­zö­ge­run­gen von Asyl­ver­fah­ren man­gels Erreich­bar­keit“ nicht ein­ge­tre­ten sei­en – und dass sich durch die Libe­ra­li­sie­rung die Lebens­si­tua­ti­on der meis­ten Asyl­su­chen­den und Gedul­de­ten wesent­lich ver­bes­sert habe.

Für die meis­ten Betrof­fe­nen ist dies rich­tig und sehr begrü­ßens­wert – doch ein nicht gerin­ger Teil der Flücht­lin­ge darf sich wei­ter­hin nicht frei in Ber­lin und Bran­den­burg bewe­gen. Gedul­de­te Men­schen, denen die Aus­län­der­be­hör­de vor­wirft, ihre Iden­ti­tät ver­schlei­ert zu haben oder ihre Mit­hil­fe bei der Pass­be­schaf­fung zu ver­wei­gern, sol­len kei­ne Dau­er­erlaub­nis erhal­ten. Nach Schät­zun­gen des Ber­li­ner Flücht­lings­rats könn­te dies bis zu 50 Pro­zent der Gedul­de­ten betref­fen – und das in sehr vie­len Fäl­len zu Unrecht.

Denn schon wenn ein gül­ti­ger Rei­se­pass fehlt, wer­fen die Aus­län­der­be­hör­den den Betrof­fe­nen meist man­geln­de Mit­wir­kung vor. Oft ist aber die Beschaf­fung eines Pas­ses gar nicht mög­lich, da die Her­kunfts­län­der Staats­an­ge­hö­rig­kei­ten nicht bestä­ti­gen, Bot­schaf­ten Päs­se nur gegen hohe Schmier­gel­der aus­stel­len oder den Betrof­fe­nen ande­re Hin­der­nis­se in den Weg stel­len. Des­halb wer­den vie­le Flücht­lin­ge von der Libe­ra­li­sie­rung der Resi­denz­pflicht aus­ge­schlos­sen und fak­tisch bestraft. Nach Bea­te Sel­ders vom Flücht­lings­rat Bran­den­burg wur­de die Resi­denz­pflicht, die frü­her als pau­scha­le Schi­ka­ne so gut wie alle Asyl­su­chen­de und Gedul­de­te traf, so zum Sank­ti­ons­in­stru­ment umgebaut.

Das wirft ein Schat­ten auf die ansons­ten fort­schritt­li­che Rege­lung Bran­den­burgs, die auch ande­ren Bun­des­län­dern als Vor­bild dien­te: Mitt­ler­wei­le dür­fen sich resi­denz­pflich­ti­ge Flücht­lin­ge auch in Sach­sen-Anhalt, Schles­wig-Hol­stein, Nord­rhein-West­fa­len, Nie­der­sach­sen, Baden-Würt­tem­berg und Meck­len­burg-Vor­pom­mern inner­halb der Lan­des­gren­zen frei bewe­gen. Eine unter ande­rem von Bran­den­burg ein­ge­brach­te Bun­des­rats­in­itia­ti­ve, die dafür ein­trat, die „Resi­denz­pflicht bun­des­weit zum Aus­nah­me­fall und die Bewe­gungs­frei­heit zur Regel“ zu machen, war Ende 2010 im Bun­des­rat gescheitert.

Bis die längst über­fäl­li­ge Abschaf­fung der schi­ka­nö­sen und dis­kri­mi­nie­ren­den Ein­schrän­kung der Bewe­gungs­frei­heit von Flücht­lin­gen im gan­zen Bun­des­ge­biet bewerk­stel­ligt ist, sind trotz des deut­li­chen Trends zur Libe­ra­li­sie­rung der Resi­denz­pflicht lei­der noch vie­le poli­ti­sche Hür­den zu nehmen.

Mehr Infor­ma­tio­nen zum The­ma Resi­denz­pflicht: www.residenzpflicht.info/

Über­sicht über räum­li­che Auf­ent­halts­be­schrän­kung in den Bun­des­län­dern (PDF, Stand Sept. 2011)