22.07.2014
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Sie setzen sich für mehr Kirchenasyle ein: Pfarrerin Sabine Fröhlich, Dekanin Dr. Ursula Schoen, Paulos Yacob von Refugees for Change, Mareike Kessler von Eva Seidlmayer von noborder frankfurt

Immer öfter schreiten Kirchen dort ein, wo der Staat den Flüchtlingsschutz versagt. Das Kirchenasyl hilft nicht nur den Flüchtlingen, es fördert auch den Zusammenhalt in Gemeinden. Allerdings gibt es noch zu wenige Gemeinden, die helfen. Heute appellierten Geistliche und Flüchtlingsinitiativen in Frankfurt gemeinsam an Gemeinden, mehr Schutzräume zu schaffen.

„Wir haben schon geschluckt als wir ange­fragt wur­den“, sagt Pfar­re­rin Sabi­ne Fröh­lich aus Frank­furt, die zwei Flücht­lin­ge in einem Kir­chen­asyl beher­bergt. „Wir hat­ten ver­schie­den Fra­gen recht­li­cher Art, dann war da die Fra­ge der Unter­brin­gung. Aber am Ende war unser christ­li­ches Mit­ge­fühl aus­schlag­ge­bend. Es geht dar­um, Men­schen zu hel­fen, die ansons­ten untergehen“.

Seit zwei Mona­ten wer­den John N. und Eht­in­s­he A. aus Eri­trea in der Can­ta­te-Domi­no-Gemein­de geschützt. Das Paar war nach drei­jäh­ri­ger Flucht über Liby­en nach Ita­li­en gekom­men. Hil­fe fan­den sie dort nicht: Sie waren gezwun­gen, auf der Stra­ße zu schla­fen, und muss­ten bet­teln, um zu über­le­ben. Als Ethinshe an der Krät­ze erkrank­te, wur­de sie nicht behan­delt. Es kam zu sexu­el­len Beläs­ti­gun­gen und ras­sis­ti­schen Über­grif­fen. Das Paar ent­schied sich, wei­ter nach Deutsch­land zu flie­hen, doch Schutz fan­den sie auch hier nicht. Da sie über Ita­li­en ein­ge­reist waren, soll­ten sie wie­der dort­hin zurück­ge­schickt wer­den. Eine Horrorvorstellung.

„Ich wün­sche mir, dass mehr Gemein­den ins kal­te Was­ser springen“

In ihrer Ver­zweif­lung wen­de­te sich das Paar an die Grup­pe „nobor­der frank­furt“, die zahl­rei­che Flücht­lin­ge in ähn­li­chen Situa­tio­nen unter­stützt. Die Flücht­lings­un­ter­stüt­zer schrie­ben ver­schie­de­ne Gemein­den an und baten um Hil­fe. Schließ­lich sag­te Pfar­re­rin Fröh­lich ein Kir­chen­asyl zu. Nach anfäng­li­chen Beden­ken zieht Fröh­lich heu­te eine posi­ti­ve Bilanz: „Wir haben schnell gemerkt, dass es Unter­stüt­zung gibt. Aus der Gemein­de und Nach­bar­schaft kamen vie­le Men­schen, um zu hel­fen. Heu­te gibt es bei uns einen Zusam­men­halt, der vor­her nicht da war. Ich wün­sche mir, dass mehr Gemein­den ins kal­te Was­ser sprin­gen und die­se posi­ti­ve Erfah­rung machen“.

Die Pfar­re­rin ruft zusam­men mit der Grup­pe „nobor­der frank­furt“ und der Flücht­lings­in­itia­ti­ve „Refu­gees for Chan­ge“ und ande­ren Initia­ti­ven die Kir­chen dazu auf, mehr Schutz­räu­me zu schaf­fen. Heu­te wur­de ein offe­ner Brief ver­öf­fent­licht. „Wir brau­chen Sicher­heit, um uns von unse­ren schreck­li­chen Erleb­nis­sen erho­len zu kön­nen.“, sagt Pau­los Yacob von Refu­gees for Chan­ge,. Er selbst fürch­tet, abge­scho­ben zu wer­den. „In Ita­li­en haben wir weni­ger Rech­te als die Hun­de. Die Hun­de wis­sen zumin­dest woher sie Essen und Trin­ken bekom­men. Wir leben auf der Stra­ße und haben Angst vor ras­sis­ti­schen Attacken“.

Ein Leben in Sicher­heit nach fünf­jäh­ri­ger Fluchtodysee

In Hes­sen gibt es laut Dr. Ursu­la Schoen, Deka­nin im evan­ge­li­schen Deka­nat Frank­furt, der­zeit 11 Kir­chen­asyle mit 17 Per­so­nen. Schoen ermu­tigt – twei­te­re Gemein­den dazu, über die Schaf­fung von Kir­chen­asy­len zu bera­ten. Hier­bei bie­tet ihr zufol­ge auch die Lan­des­kir­che Bera­tung an, denn zunächst muss geklärt wer­den, ob ein Fall sich über­haupt durch ein Kir­chen­asyl lösen lässt.

Bun­des­weit sind der Orga­ni­sa­ti­on „Asyl in der Kir­che“ aktu­ell 124 Kir­chen­asyle mit min­des­tens 217 Per­so­nen bekannt. 105 der Kir­chen­asyle sind soge­nann­te Dub­lin-Fäl­le.  Also Per­so­nen wie das Paar aus Eri­trea, die auf­grund der Dub­lin-Ver­ord­nung in das EU-Land, wel­ches sie zuerst betre­ten haben, zurück­ge­scho­ben wer­den sol­len. Nach der Dub­lin-Rege­lung muss die Abschie­bung inner­halb einer bestimm­ten Frist erfol­gen. Hier set­zen vie­le Kir­chen­asyle an: Wird die Frist über­schrit­ten, z.B. weil die Per­son in einer Kir­che geschützt ist und die Poli­zei sie nicht abholt, muss das Asyl­ver­fah­ren in Deutsch­land durch­ge­führt wer­den.

Hier­auf baut auch Pfar­re­rin Fröh­lich. Im August endet die Über­stel­lungs­frist für John und Eht­in­s­he, dann droht ihnen laut der Pfar­re­rin kei­ne Abschie­bung mehr, da die Zustän­dig­keit an Deutsch­land über­geht. Die Gemein­de hät­te dann  erreicht, was die EU-Staa­ten den Eri­tre­ern ver­sag­te: Eht­in­s­he und John könn­ten nach fünf­jäh­ri­ger Flucht­od­y­see end­lich ein Leben in Sicher­heit führen.

In einem Film von nobor­der frank­furt wird über drei aktu­el­le Kir­chen­asyle berich­tet. Das Video fin­det sich hier.

Offe­ner Brief an die Kir­chen­ge­mein­den in Hes­sen: Der Toten zu geden­ken, soll­te bedeu­ten, die Über­le­ben­den zu schützen.