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Grenzschutz statt Flüchtlingsschutz: EU-Gipfel setzt auf Abschottung
Die Beschlüsse des EU-Gipfels in Brüssel sind erschütternd: Statt Flüchtlinge aufzunehmen, baut die EU ihre Grenzschutzagentur Frontex aus.
Die Beschlüsse des EU-Gipfels in Brüssel sind erschütternd: Statt Flüchtlinge aufzunehmen, baut die EU ihre Grenzschutzagentur Frontex aus.
Der UNHCR hatte wochenlang immer wieder an die EU-Staaten appelliert, Flüchtlinge aufzunehmen, die nicht in ihre Herkunftsländer zurück können. Selbst EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hatte versucht, die Regierungsvertreter der EU-Staaten dazu zu bewegen, 15.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Doch alle Appelle für ein europäisches Resettlement-Programm stießen beim EU-Gipfel der vergangenen Woche auf Ablehnung und Ignoranz.
Statt Flüchtlinge aufzunehmen, haben die europäischen Staats- und Regierungschefs am 23. Juni 2011 in Brüssel vereinbart, die Kompetenzen der Grenzschutzagentur Frontex zu erweitern. Frontex soll künftig Beamte der Mitgliedstaaten für Grenzschutzeinsätze anfordern können. Während solche Einsätze offiziell bislang von Frontex nur koordiniert wurden, soll die Agentur nun hierbei eine „führende Rolle“ einnehmen. Und während sich Frontex bislang Ausrüstungsgegenstände von Mitgliedstaaten leihen musste, darf sich die Agentur nun selbst Hubschrauber, Schiffe und Fahrzeuge anschaffen – Material, das, wie PRO ASYL befürchtet, letztlich dazu dienen wird, Flüchtlinge abzuwehren, die keinen anderen Ausweg sehen, als die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer anzutreten, weil Europa sie buchstäblich in der Wüste sitzen lässt.
Frontex und die Grundrechte
PRO ASYL und viele andere Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen haben immer wieder auf Fälle hingewiesen, in denen Menschen- und Flüchtlingsrechte im Rahmen von Frontex-Einsätzen verletzt wurden. Zumindest auf dem Papier reagiert die EU nun auf die Kritik an ihrer Grenzschutzbehörde: Frontex soll nun ein „beratendes Forum für Grundrechte“ zur Seite gestellt bekommen. Auch einen „Grundrechtsbeauftragten“ soll Frontex in Zukunft haben, der allerdings – anders als das EU-Parlament ursprünglich gefordert hatte – kein unabhängiger Beobachter, sondern selbst ein Frontex-Mitarbeiter sein soll.
Ob die Bekenntnisse zur Wahrung von Grundrechten an der tatsächlichen Politik von Frontex etwas ändern, ist zweifelhaft. Der Auftrag von Frontex lautet schließlich, Flüchtlinge erst gar nicht in die Europäische Union zu lassen. Schutzsuchende haben ein Recht darauf, dass ihr Asylantrag in einem fairen Verfahren geprüft wird. Das ist weder auf dem Meer noch in den Staaten möglich, von denen aus die Flüchtlinge nach Europa fliehen.
Wie sich in Vergangenheit etwa im Falle Libyens zeigte, droht in Drittstaaten die Gefahr, dass Flüchtlinge dort erniedrigender Behandlung und Folter ausgesetzt werden. Dennoch hält die EU weiterhin an ihrer Absicht fest, bei der Flüchtlingsabwehr mit Drittstaaten zu kooperieren. Im aktuellen Beschluss der EU heißt es, dass Frontex dort „technische Assistenzprojekte“ starten und in solchen Staaten Verbindungsbeamte anstellen darf.
Aufgeben geht nicht
Die Beschlüsse der EU sind für alle, die für eine menschliche Flüchtlingspolitik kämpfen, eine Enttäuschung – auch für alle, die bei der PRO-ASYL-Aktion teilgenommen haben und Protest-E-mails und ‑Postkarten an den EU-Ratspräsidenten Herman von Rompuy schrieben, dass er sich für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzen möge. Angesichts der Notlage der Flüchtlinge in Nordafrika sowie der oft unmenschlichen Flüchtlingspolitik der EU-Staaten kann Resignation jedoch nicht die Antwort sein. Uns bleibt nichts anderes übrig, als weiterzumachen: breiter über die gegenwärtige Politik der Abschottung und ihre Konsequenzen zu informieren, weiter an die politisch Verantwortlichen appellieren, lauter protestieren. Wir hoffen dabei auf Ihre Unterstützung.
Pressemitteilung des Europäischen Rates (engl.)
Bericht der Süddeutschen Zeitung
Bericht der Frankfurter Allgemeinen
Bericht von Reuters Africa (engl.)
PRO ASYL –Broschüre zur Zusammenarbeit der EU mit Libyen (PDF)