05.09.2025
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Foto: Lukas Metzger

Immaculate Chienku unterstützt geflüchtete Menschen in Brandenburg mit Hilfe des Vereins Refugees Emancipation e.V. und wird dafür mit dem Verein mit dem Menschenrechtspreis 2025 der Stiftung PRO ASYL ausgezeichnet. Im Interview sprechen sie und Chu Eben, Gründer des Vereins, über Selbstverwaltung, Augenhöhe, Mutmachen und gute Nachbarschaft.

Immaculate, wofür engagierst du dich?

Ich enga­gie­re mich in der Unter­stüt­zung von geflüch­te­ten Men­schen und kämp­fe für bes­se­re Lebens­be­din­gun­gen. In den Flücht­lings­un­ter­künf­ten gebe  ich Infor­ma­tio­nen wei­ter und lei­te Work­shops. Ich moti­vie­re, ori­en­tie­re und empowe­re Schutz­su­chen­de. Und für unser Pro­jekt und unse­ren Ver­ein mache ich Verwaltungsarbeit.

Wofür steht der Verein Refugees Emancipation e.V.?

Chu Eben: Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on e.V. wur­de 1998 von Asyl­su­chen­den gegrün­det und ist ein selbst­or­ga­ni­sier­tes Pro­jekt. Der Ver­ein begann als Initia­ti­ve für die Orga­ni­sa­ti­on von Inter­net­ca­fés sowie Deutsch- und Com­pu­ter­kur­sen in Gemeinschaftsunterkünften.

Imma­cu­la­te Chien­ku: Seit drei Jah­ren betreibt der Ver­ein nun außer­dem das Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter (RECC) in Pots­dam. Wir sind ein selbst­ver­wal­te­tes Wohn­pro­jekt, aber gleich­zei­tig auch ein Ort, an dem die Nach­bar­schaft zusam­men­kom­men kann, Bera­tung, Semi­na­re und Deutsch­kur­se statt­fin­den. Im Gar­ten gril­len und essen wir regel­mä­ßig mit allen, die vor­bei­kom­men möch­ten. Jeden Frei­tag öff­nen wir unse­re Türen für ein Foodsha­ring-Pro­jekt, da kom­men vie­le Men­schen aus unse­rem Vier­tel hierher.

Zehn Jah­re nach dem Som­mer der Soli­da­ri­tät 2015 zeich­net die Stif­tung PRO ASYL drei Per­sön­lich­kei­ten aus, die sich seit vie­len Jah­ren soli­da­risch für ein gutes Ankom­men von Geflüch­te­ten in Deutsch­land und für deren Rech­te ein­set­zen. Ver­lie­hen wird der Preis am Sams­tag, 13. Sep­tem­ber 2025, in Frank­furt am Main.

Richard Rei­schl steht als Ers­ter Bür­ger­meis­ter der Gemein­de Heberts­hau­sen stell­ver­tre­tend für die Kom­mu­ne und die Zivil­ge­sell­schaft, hier der Hel­fer­kreis Asyl Heberts­hau­sen e.V. Imma­cu­la­te Chien­ku steht als Akti­ve im Ver­ein Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on e.V. stell­ver­tre­tend für den Ver­ein und das selbst­ver­wal­te­te Wohn­pro­jekt Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter. Johan­nes Bor­get­to, der sich seit Jahr­zehn­ten für das Recht auf Asyl ein­setzt, steht stell­ver­tre­tend für die Zivil­ge­sell­schaft, beson­ders den Koor­di­na­ti­ons­kreis Asyl Darm­stadt und Umge­bung (KOKAS). Den Men­schen­rechts­preis ver­leiht die Stif­tung PRO ASYL seit 2006 jähr­lich an Per­so­nen, die sich in her­aus­ra­gen­der Wei­se für die Ach­tung der Men­schen­rech­te und den Schutz von Flücht­lin­gen in Deutsch­land und Euro­pa ein­set­zen. Der Preis ist mit 5.000 Euro und einer Skulp­tur des Künst­lers Ari­el Aus­len­der, Pro­fes­sor an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Darm­stadt, dotiert. Eine Über­sicht mit den bis­he­ri­gen Preisträger*innen steht hier.

Was ist das Besondere am Wohnprojekt RECC?

Chu Eben: Wir leben hier selbst­be­stimmt, geflüch­te­te Men­schen aus ganz unter­schied­li­chen Regio­nen. Was ganz beson­ders ist: Die Häu­ser und das Grund­stück gehö­ren uns, dem Ver­ein. Der Ver­ein konn­te alles vor drei Jah­ren ohne finan­zi­el­le Kos­ten­über­neh­men. Seit­dem reno­vie­ren wir, bau­en aus, pla­nen und arbei­ten an den Häu­sern und am Gar­ten. Wir haben eine Unter­stüt­zungs­grup­pe von Archi­tek­ten, Inge­nieu­ren und ande­ren, die uns helfen.

Imma­cu­la­te Chien­ku: Das Gelän­de ist 1900 Qua­drat­me­ter groß, hier ste­hen drei Häu­ser mit unter­schied­lich vie­len Wohn­ein­hei­ten. Ins­ge­samt woh­nen 19 erwach­se­ne Per­so­nen hier, die sonst zum Groß­teil in Unter­künf­ten woh­nen müss­ten. Wir haben aber auch vie­le Gemein­schafts­räu­me, wie die Küchen, den Wasch­raum, den Sport­raum und ande­re. Wir tref­fen uns ein­mal pro Woche und bespre­chen alle Auf­ga­ben, Pro­ble­me und Plä­ne. Wie in jeder Wohn­ge­mein­schaft gibt es auch bei uns manch­mal Stress wegen des Putz­plans oder ande­ren Auf­ga­ben. Alle, die hier leben, zah­len Mie­te, wir alle küm­mern uns um Strom, Müll­ent­sor­gung, Repa­ra­tur, Was­ser­ver­sor­gung, Hei­zung. Damit über­neh­men wir alle Ver­ant­wor­tung für unse­ren Lebens­raum. Wer hier lebt, soll sich zu Hau­se füh­len. Und eben auch Ver­ant­wor­tung für die­ses Zuhau­se über­neh­men. Wir haben auch häu­fig Wandergesell*innen hier zu Gast, sie leben mit uns und hel­fen uns, die Gebäu­de auszubauen.

Chu Eben: Wir wol­len damit auch ein poli­ti­sches Zei­chen set­zen. Wir brau­chen kei­ne Heim­lei­tung, Secu­ri­ty oder ähn­li­ches wie in den Flücht­lings­un­ter­künf­ten. Geflüch­te­te kön­nen und wol­len sich um sich selbst küm­mern und selbst Ver­ant­wor­tung über­neh­men. Die Fremd­be­stimmt­heit in Unter­künf­ten ver­hin­dert ein Leben auf Augenhöhe.

Wie reagierte die Nachbarschaft, als das Projekt gestartet wurde?

Imma­cu­la­te Chien­ku: Eigent­lich posi­tiv, sie freu­te sich, dass hier etwas pas­siert und Men­schen hier sind. Vor­her stand alles leer. Nachbar*innen kamen vor­bei und waren neu­gie­rig. Eini­ge haben auch ihre Hil­fe ange­bo­ten. Wir sind mit vie­len auch in engem Kon­takt beim The­ma Sicher­heit für unser Cen­ter und für die Nachbarschaft.

Chu Eben: Da wir hier die Besit­zer und Ansprech­part­ner sind, haben vie­le gemerkt, dass sie mit uns direkt spre­chen müs­sen, es gibt kei­nen Heim­lei­ter oder ähn­li­ches, mit dem sie spre­chen kön­nen. Dadurch fin­det die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit uns auf Augen­hö­he statt.

Inwiefern haben der Rechtsruck und die politischen Erfolge der Rechtsextremen einen Einfluss auf die Arbeit und das Leben im RECC?

Imma­cu­la­te Chien­ku: Natür­lich hat es einen Ein­fluss, wir haben eine gro­ße Zahl an Rechts­extre­men im Land, das ist sehr beunruhigend.

Chu Eben: Wir tref­fen uns wöchent­lich und spre­chen über Vor­fäl­le, die den Men­schen, die hier leben, wider­fah­ren. Und wir spre­chen viel mehr über Sicher­heits­kon­zep­te für unser Cen­ter und die Bewohner*innen.

Imma­cu­la­te Chien­ku arbei­tet im 1998 von Asyl­su­chen­den gegrün­de­ten Ver­ein Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on e.V., der seit drei Jah­ren das selbst­ver­wal­te­te Wohn­pro­jekt Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter (RECC) in Pots­dam betreibt. Sie enga­giert sich in der Unter­stüt­zung von geflüch­te­ten Men­schen und kämpft mit ihnen zusam­men für bes­se­re Lebens­be­din­gun­gen. In Flücht­lings­un­ter­künf­ten gibt sie Work­shops und infor­miert, moti­viert und empowert Schutz­su­chen­de. Im selbst­ver­wal­te­ten Wohn­pro­jekt RECC leben 19 erwach­se­ne Per­so­nen, ein Groß­teil von ihnen müss­te sonst in Flücht­lings­un­ter­künf­ten woh­nen. Mit dem Pro­jekt will der Ver­ein auch ein poli­ti­sches Zei­chen set­zen: Geflüch­te­te kön­nen und wol­len Ver­ant­wor­tung für sich und ande­re in der Gesell­schaft über­neh­men. Imma­cu­la­te Chien­ku hofft zudem, dass das Wohn­pro­jekt ande­ren Mut macht, wei­te­re Com­mu­ni­ty- und Wohn­pro­jek­te zu gründen.

Was braucht das Projekt jetzt vor allem?

Chu Eben: Wir brau­chen nach wie vor Unter­stüt­zung für die Reno­vie­run­gen, Repa­ra­tu­ren, Instand­set­zun­gen. Alle, die hel­fen wol­len, sind herz­lich will­kom­men. Wir haben immer wie­der ange­kün­dig­te Bau­ta­ge, wo jeder, der möch­te, vor­bei­kom­men und unter­stüt­zen kann. Die fin­den sich online auf unse­rer Face­book-Sei­te. Vor allem brau­chen wir jedoch Klemp­ner und Elek­tri­ker, die uns bei Pro­ble­men unent­gelt­lich unter­stüt­zen kön­nen. Und natür­lich brau­chen wir Geld­spen­den. Wir pla­nen, das Haus Num­mer zwei aus­zu­bau­en, das Dach wet­ter­fest zu machen und so elf wei­te­re Wohn­plät­ze und zwei Semi­nar­räu­me zu schaffen.

Welche Rolle spielt der Menschenrechtspreis der PRO ASYL Stiftung dabei?

Imma­cu­la­te Chien­ku: Der Men­schen­rechts­preis hilft uns, Öffent­lich­keit zu schaf­fen und unser Pro­jekt und unse­ren Ver­ein bekann­ter zu machen. Wir wol­len zei­gen, was wir geschafft haben und was wir kön­nen. Natür­lich hof­fen wir, dass es auch eine Wir­kung in der Poli­tik zeigt. Und dass poli­tisch Ver­ant­wort­li­che sehen, dass Geflüch­te­te vie­les in der Gesell­schaft bei­tra­gen und Ver­ant­wor­tung für sich und ande­re über­neh­men kön­nen und wol­len. Wir hof­fen, dass unser Pro­jekt ande­ren Mut macht, wei­te­re Com­mu­ni­ty- und Wohn­pro­jek­te zu gründen.

(nb)