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Farmakonisi: Gericht entlastet syrischen Flüchtling und Überlebenden
Der Urteilsbegründung zufolge wurde die tödliche Bootskatastrophe durch den Einsatz der griechischen Küstenwache verursacht. Ein junger syrischer Flüchtling und selbst Überlebender des Unglücks wurde von jeglicher Verantwortung freigesprochen.
Ein Fischerboot mit 27 Flüchtlingen an Bord war am 20. Januar 2014 im Schlepptau der griechischen Küstenwache vor der Insel Farmakonisi gesunken. Elf Menschen – drei Frauen und acht Kinder – starben. Ein junger syrischer Flüchtling, dem man vorgeworfen hatte, das Boot gelenkt und das Bootsunglück verursacht zu haben, wurde jetzt vom Berufungsgericht von Dodecanese auf Rhodos von der Verantwortung für den Tod der elf Opfer freigesprochen.
Gericht widerspricht Entscheidung aus 1. Instanz
Das Gericht widersprach dabei der Entscheidung aus der ersten Instanz, welche den damals 21-jährigen Flüchtling aus Syrien für schuldig befunden hatte, als »Kapitän« des Bootes für den Tod der Opfer verantwortlich gewesen zu sein. Deswegen wurde er zu einer Haftstrafe von 145 Jahren und drei Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 570.050 Euro verurteilt. Er war seitdem im Gefängnis. Für den »illegalen Transport« der Flüchtlinge wurde der junge Syrer zunächst zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Nun kam das Gericht zum Schluss, dass die griechische Küstenwache für das Bootsunglück und damit den Tod von elf Menschen verantwortlich war. Das Boot sank im Schlepptau des Einsatzschiffes der griechischen Küstenwache. Niemand an Bord des Bootes hätte den tödlichen Ausgang verhindern können, so das Gericht. Die Strafe für den syrischen Flüchtling wurde auf zehn Jahre herabgesetzt; nach der Strafprozessordnung kommt der Betroffene bald frei. Der junge Syrer hat von Anfang seine Unschuld beteuert und dem Vorwurf widersprochen, das Boot gelenkt zu haben; er sei selbst Flüchtling gewesen. Das Gericht schenkte der Aussage keine Beachtung.
Vor der griechischen Insel Farmakonisi starben in der Nacht zum 20. Januar 2014 drei Frauen und acht Kinder aus Afghanistan. Ein mit 27 Flüchtlingen aus Afghanistan und Syrien besetztes Fischerboot sank im Schlepptau der griechischen Küstenwache.
Die Überlebenden waren während einer völkerrechtswidrigen Zurückschiebung bzw. einer illegalen Push-Back-Operation der griechischen Küstenwache bei stürmischer See mit voller Kraft zurück in Richtung Türkei gezogen worden. Ihr Boot sank dabei. PRO ASYL hat den Fall analysiert.
Klage vor dem EGMR
Die Überlebenden legten gegen die griechischen Behörden Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Sie beriefen sich dabei Auf Artikel 2, 3 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Eine Entscheidung des Gerichts in dem Fall Safi and others v. Greece, 5418/15 steht noch aus.
PRO ASYL leistet Beistand
PRO ASYL hat das Verfahren des jungen Flüchtlings sowie die Klagen der Überlebenden von Anfang an durch rechtlichen und humanitären Beistand begleitet. Dazu hat PRO ASYL auch mit den Organisationen Greek Council for Refugees, the Lawyers’ Group for the Rights of Refugees and Immigrants, the Greek Union of Human Rights und dem Network of Social Support of Refugees and Immigrants kooperiert.