15.10.2014
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Katasrophale Unterbringung: 430 Flüchtlinge leben in Fürth derzeit in einem einzigen riesigen Raum. Die Unterbringungsnot hat nun zu einer Debatte um europaweite Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen geführt. Foto: Bayerischer Flüchtlingsrat

Quoten sollen es richten – so lauten zahlreiche Aussagen beim Treffen der EU-Innenminister, von verschiedenen Politikern in Deutschland wie auch in einer aktuellen Studie des Auswärtigen Amtes. Doch eine Verteilung von Asylsuchenden nach Quoten ist gegen die Interessen der Flüchtlinge. PRO ASYL lehnt eine starre Quotenregelung ab.

Schon beim EU-Innen­mi­nis­ter­tref­fen kam Bewe­gung in die Dis­kus­si­on um die Ver­tei­lung von Asyl­su­chen­den in der Euro­päi­schen Uni­on. Denn dass das Dub­lin-Sys­tem geschei­tert ist, sehen mitt­ler­wei­le selbst jene Staa­ten ein, die – wie etwa Deutsch­land – die­se unmensch­li­che und unfai­re Asyl­zu­stän­dig­keits­re­ge­lung über ein Jahr­zehnt zum Grund­pfei­ler der euro­päi­schen Asyl­po­li­tik erklärt hatten.

Der Umschwung, den Aus­sa­gen meh­re­rer Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker beglei­ten und den auch eine Stu­die des Aus­wär­ti­gen Amtes unter­stützt, geht aller­dings kaum auf die Ein­sicht zurück, dass das Dub­lin-Sys­tem für die Betrof­fe­nen bedeu­tet, an den Außen­gren­zen bru­tal abge­wehrt und im Inne­ren der EU men­schen­un­wür­di­gen Bedin­gun­gen aus­ge­setzt zu werden.

Viel­mehr ver­dankt sich der Sin­nes­wan­del der Tat­sa­che, dass die Zahl der Flücht­lin­ge auch im Zen­trum der EU gestie­gen ist. Jetzt wol­len Deutsch­land und ande­re EU-Staa­ten aus der Mit­te Euro­pas plötz­lich einen ande­ren Mecha­nis­mus, um weni­ger Flücht­lin­ge auf­neh­men zu müs­sen – und dies aus­ge­rech­net unter der irre­füh­ren­den Über­schrift „mehr Soli­da­ri­tät“.

Die nun vor­ge­schla­ge­ne Rege­lung, nach der die Asyl­su­chen­den in Euro­pa ähn­lich dem deut­schen Modell des König­stei­ner Schlüs­sels auf die ver­schie­de­nen EU-Staa­ten ver­teilt wer­den, wür­de den Betrof­fe­nen in keins­ter Wei­se wei­ter­hel­fen und wäre ange­sichts eines wei­ter­hin nicht exis­tie­ren­den gemein­sa­men Asyl­sys­tems in der EU glei­cher­ma­ßen zum Schei­tern ver­ur­teilt wie das bis­he­ri­ge Sys­tem. So not­wen­dig eine Alter­na­ti­ve zu Dub­lin-III ist – ein Zwangs­ver­tei­lungs­pro­gramm von Schutz­su­chen­den in 32 euro­päi­schen Staa­ten ist nicht die Lösung. Das geschei­ter­te Dub­lin-Sys­tem wür­de nur durch eine noch mons­trö­se­re EU-Büro­kra­tie ersetzt, die Flücht­lin­ge wei­ter­hin euro­pa­weit umherschiebt.

In einem euro­päi­schen Sys­tem der Ver­ant­wor­tungs­tei­lung müs­sen statt­des­sen die Schutz­in­ter­es­sen der Asyl­su­chen­den im Zen­trum ste­hen. Flücht­lin­ge soll­ten in dem Land, wo ihre Fami­li­en, ihre Com­mu­ni­ties leben, ihre Asyl­an­trä­ge stel­len kön­nen. Dies hilft den Flücht­lin­gen, ent­las­tet bei der Unter­brin­gung und för­dert die Inte­gra­ti­on. Denn Flücht­lin­ge ver­su­chen aus ratio­na­len wie legi­ti­men Erwä­gun­gen stets dort­hin zu gelan­gen, wo Ver­wand­te leben oder sie ande­re Anknüp­fungs­punk­te finden.

In Deutsch­land wer­den daher auch in Zukunft mehr Flücht­lin­ge als in ande­ren EU-Staa­ten ankom­men. Dies liegt unter ande­rem dar­an, dass rela­tiv vie­le Staats­an­ge­hö­ri­ge aus den Bür­ger­kriegs­län­dern Irak, Afgha­ni­stan und Syri­en bereits dau­er­haft hier leben. Euro­stat-Daten bele­gen, dass aus allen drei Län­dern Ende 2013 euro­pa­weit die meis­ten Men­schen mit einer Auf­ent­halts­er­laub­nis in Deutsch­land leb­ten. Auch die Spra­che spielt für die Wahl des Ziel­lan­des von Flücht­lin­gen eine gro­ße Rol­le. So stel­len Flücht­lin­ge aus dem Kon­go meis­tens Asyl­an­trä­ge in Bel­gi­en oder Frankreich.

Nach der gel­ten­den Dub­lin-Rege­lung müs­sen Asyl­su­chen­de jedoch im Erst­ein­rei­se­land ver­blei­ben – unter oft kata­stro­pha­len Lebens­be­din­gun­gen. Die Fol­ge: Zehn­tau­sen­de Flücht­lin­ge, die immer wie­der wie Stück­gut zwi­schen den EU-Staa­ten hin- und her­ge­scho­ben wer­den. Eine Quo­ten­re­ge­lung wür­de die­ses Pro­blem nicht lösen.

PRO ASYL tritt des­halb gemein­sam mit dem Deut­schen Anwalts­ver­ein, der Neu­en Rich­ter­ver­ei­ni­gung, der Dia­ko­nie, der Arbei­ter­wohl­fahrt, dem Pari­tä­ti­schen Wohl­fahrts­ver­band für das soge­nann­te „Free Choice Modell“ ein. Die­ses sieht vor, dass Flücht­lin­ge in dem Land ihrer Wahl einen Asyl­an­trag stel­len kön­nen. Die­ses Modell ist im Inter­es­se der Schutz­su­chen­den und för­dert die Integration.

Dabei wird es dazu kom­men, dass man­che Län­der mehr Asyl­ge­su­che erhal­ten als ande­re. Sol­che Ungleich­ge­wich­te könn­ten durch Finanz­trans­fers aus­ge­gli­chen wer­den. Wer nun meint, Geld hin- und her zu schie­ben sei büro­kra­tisch und kom­pli­ziert, der sei dar­an erin­nert: Aktu­ell wer­den Men­schen hin- und her­ge­scho­ben. Ohne jede Rück­sicht auf ihre völ­lig legi­ti­men mensch­li­chen Bedürfnisse.