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Drohende Abschiebung von Deutschland über Ungarn nach Syrien
Asylsuchende, die über Ungarn in die EU eingereist sind, werden im Zuge der Dublin-II-Verordnung nach Ungarn abgeschoben. Von dort aus droht ihnen die Abschiebung – sogar nach Syrien.
Asylsuchende, die das Gebiet der Europäischen Union zuerst in Ungarn betreten haben, können nach der Dublin-II-Verordnung aus Deutschland und anderen EU-Staaten zurück nach Ungarn abgeschoben werden. Dort werden die Betroffenen inhaftiert und teilweise sogar in ihr Herkunftsland abgeschoben. In Ungarn drohen auch Abschiebungen nach Syrien.
Obwohl dort derzeit täglich schwerste Menschenrechtsverletzungen dokumentiert werden, will das ungarische Ministerium für Flüchtlingsangelegenheiten festgestellt haben, „dass die Syrische Arabische Republik als ein sicheres Herkunftsland betrachtet werden kann, wo der Abzuschiebende weder aus Gründen der Herkunft , Religion, Nationalität, gesellschaftlicher Zugehörigkeit oder wegen seiner politischen Meinung der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt ist“ – so ist in einem Entscheid der ungarischen Behörde für Immigration zu lesen, in der es um die Abschiebung eines Syrers geht, der in Syrien an Demonstrationen gegen das Assad-Regime teilgenommen hatte und daraufhin flüchten musste.
Derzeit sitzen vier syrische Asylsuchende in München in Abschiebehaft – sie sollen von Deutschland nach Ungarn abgeschoben werden und müssen befürchten, von Ungarn aus weiter nach Syrien abgeschoben zu werden. Darunter sind nach Angaben des bayerischen Flüchtlingsrats zwei syrische Deserteure. Nach einer Antwort des deutschen Innenministeriums auf eine Presseanfrage sieht dieses dennoch „keine Veranlassung, von Überstellungen gemäß der Dublin-Verordnung nach Ungarn abzusehen, sofern nicht im Einzelfall außergewöhnliche humanitäre Umstände einer Überstellung entgegenstehen und zu einer Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland führen.“ Eine solche Ausnahme, so das Bundesinnenministerium, liege aber „nicht bereits darin begründet, dass es sich bei den Asylbewerbern um Deserteure der syrischen Armee handelt.“
Das Bundesministerium des Innern geht weiter davon aus, „dass die Gewährleistungen des europäischen und internationalen Flüchtlingsrechts sowie der einschlägigen Menschenrechtskodifikationen, insbesondere das Verbot des Refoulement, von Ungarn als Mitgliedstaat der Europäischen Union eingehalten werden“. Das Ministerium behauptet, gegenteilige Erkenntnisse lägen derzeit nicht vor.
Dabei zeigt ein aktueller Bericht des ungarischen Helsinki-Komitees, dass Ungarn die vom Bundesinnenministerium erwähnten verbrieften Flüchtlingsrechte insbesondere im Falle von Schutzsuchenden missachtet, die im Zuge der Dublin-II-Verordnung nach Ungarn zurückgeschoben wurden: Sie erhalten in Ungarn pauschal eine Ausweisungsanordnung – auch wenn sie einen Asylantrag stellen.
Denn da die meisten Betroffenen bereits bei ihrer ersten Ankunft in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben, den sie nach ihrer Zurückschiebung nach Ungarn nicht wieder aufnehmen können, wird ab nun ihr Asylgesuch als Folgeantrag gewertet. Das perfide daran: Wer in Ungarn einen solchen Folgeantrag stellt, bekommt keinen Rechtsschutz vor Abschiebung und kann also einfach abgeschoben werden – obwohl ihr Asylgesuch in keinem EU-Staat abschließend geprüft wurde.
2010 wurden 200 Menschen von Deutschland nach Ungarn abgeschoben, im ersten Halbjahr des Jahres 2011 waren es 49.
Ungarn: Systematische Verletzung der Menschenrechte von Flüchtlingen (15.03.12)