Fachnewsletter
Zusammenarbeit mit Weißrussland zum Nachteil von Flüchtlingen
Es überrascht immer wieder, mit welchen diktatorischen Regimen Deutschland im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit kooperiert. Die Bundesregierung hat am 18. Oktober 2012 eine Kleine Anfrage der Linksfraktion „Polizeiliche Zusammenarbeit mit Belarus“ beantwortet (BT Drucksache 17/11077). Tageszeitungen hatten zuvor über eine längere Tradition polizeilicher Zusammenarbeit mit Weißrussland berichtet: Seminare für belarussische Polizisten in Deutschland, Einsatzbeobachtungen usw. Klar scheint, wofür man Belarus braucht – als einen weiteren Türsteher der EU in Sachen Migrationsmanagement, Grenzschutz und Dokumentenkontrolle. Deutschland hat Belarus, so die Bundesregierung, im Rahmen bilateraler Ausbildungs- und Ausstattungshilfe bei der Annäherung an die EU mit der Durchführung von Maßnahmen zur Heranführung an die polizeilichen EU-Standards unterstützt. Hauptthema sei die Bewältigung von polizeilichen Lagen aus besonderem Anlass, insbesondere anlässlich von Sportveranstaltungen, gewesen. Abgebrochen habe man das in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt begonnene Projekt nach Bekanntwerden des unangemessenen Einsatzverhaltens gegenüber Demonstranten im Umfeld der Wahl 2010. Zu den Motiven der Zusammenarbeit wird die Bundesregierung sehr deutlich: „Die Vorverlagerungsstrategie, mit dem Ziel der Bekämpfung der irregulären Migration in den Herkunfts- und Transitländern, ist eine Säule des innerhalb der EU abgestimmten Konzepts des integrierten Grenzmanagements. Die Aktivitäten im Rahmen der Vorverlagerungsstrategie der Bundespolizei in Belarus wurden initiiert, weil Belarus an der Außengrenze der Europäischen Union liegt und damit an einer wichtigen Migrationsroute. (…) Für Deutschland selbst ist Belarus als Ursprungsland irregulärer Migration von nachrangiger Bedeutung. Ziel der Zusammenarbeit der Bundespolizei mit dem belarussischen Grenzschutz war, die grenzpolizeiliche Aufgabenwahrnehmung effizienter zu gestalten und illegale Migration, insbesondere internationale Schleusungskriminalität, unter Beachtung des Flüchtlingsrechts besser entgegenzuwirken.“ Es wird sehr schwer sein, die Beachtung des Flüchtlingsrechts in irgendeiner Weise zu überprüfen. Allerdings behauptet die Bundesregierung an anderer Stelle, das belarussische Asylsystem erfülle nach Kenntnis der Bundesregierung menschenrechtliche Mindeststandards. Aus den Erfahrungen der Zusammenarbeit mit dem belarussischen Grenzschutz sei der Eindruck zu gewinnen gewesen, dass der Grenzschutz ernsthaft eine Entwicklung zu einer Grenzpolizei nach rechtsstaatlichen Grundsätzen anstrebe. Erst mit der weiteren Verschärfung der Repression gegen weißrussische Oppositionelle und der zunehmenden Möglichkeit, dass auch der belarussische Grenzschutz aktiv in entsprechende Maßnahmen einbezogen werden könnte, habe man die Zusammenarbeit vollständig eingestellt. Interessant allerdings, dass der grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte erst im Mai 2012 aus dem Land abgezogen wurde. Man kann das zusammenfassen: Bis 2010 war man aus übergeordnetem Interesse an der Einbindung Weißrusslands in den vorverlagerten Grenzschutz völlig naiv, bis man unter dem Druck der Ereignisse und der zunehmenden Öffentlichkeit etwas weniger naiv sein musste.