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Verwirrende Zahlen zum Thema Flüchtlinge
Die Unklarheiten sind insbesondere auf die Rückstände bei der Registrierung Asylsuchender zurückzuführen, die noch gar nicht in der Statistik des Bundesamtes auftauchen. Aber auch die Zahl der nach Deutschland neu eingereisten Asylsuchenden, die die sogenannte EASY-Statistik ausweist, ist nicht unbedingt aussagekräftig, weil viele dort Erfasste längst weiter gereist sind und Mehrfachregistrierungen möglich sind. Die einfach klingende Frage, wie viele Asylantragsteller sich zurzeit in Deutschland aufhalten, ist deshalb kaum seriös zu beantworten.
Bis Ende Oktober wurden rund 331.000 Asylerstanträge in Deutschland gestellt. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet dies einen Anstieg um 144%. Dazu kommen noch knapp 31.000 Asylfolgeanträge. Mit über 100.000 Erstanträgen ist Syrien mit Abstand das Hauptherkunftsland, dahinter folgen Albanien (49.000), der Kosovo (32.000), Afghanistan (20.500) und der Irak (20.000). Des Weiteren in den Top 10 der Hauptherkunftsländer finden sich Serbien, Eritrea, Mazedonien und Pakistan. Die Zahl der dieses Jahr nach Deutschland neu eingereisten Asylsuchenden liegt allerdings wesentlich höher: laut EASY-Statistik, die die Zahl der von den Erstaufnahmeeinrichtungen auf die Bundesländer verteilten Asylbegehrenden erfasst, sind bis Ende Oktober 758.000 Asylsuchende eingereist. Ein Drittel davon (244.000) sind syrische Asylsuchende, dahinter folgen Asylsuchende aus Albanien (68.000), Afghanistan (67.000) und dem Irak (59.000). Allerdings sind die EASY-Zahlen mit größter Vorsicht zu genießen, da Fehl- und Doppelregistrierungen nicht ausgeschlossen werden können. So wurden im Rahmen dieses Systems sicherlich viele Asylsuchende nach der Einreise nach Deutschland registriert, die dann aber bspw. zu Verwandten nach Dänemark oder Schweden weitergereist sind, also gar nicht in Deutschland verbleiben. Wie hoch diese Zahl ist, ist nicht bekannt. Die Prognose der Bundesregierung, dass in diesem Jahr bis zu 800.000 Flüchtlinge in Deutschland erwartet werden, speist sich aus dieser EASY-Statistik.
Die massiven Gesetzesverschärfungen gegenüber Flüchtlingen vom Balkan mit der Einstufung des Kosovo und Albaniens als „sichere Herkunftsländer“ , der Einrichtung von Aufnahmezentren und rechtsstaatlich fragwürdigen Eilasylverfahren, gehen an den dringlichen Herausforderungen wie bspw. menschenwürdiger Unterbringung und Integrationsprogrammen für Flüchtlinge völlig an der Realität vorbei: im September war mit Albanien gerade noch ein Balkanstaat unter den Top 5 der Hauptzugangsländer in der EASY-Statistik, im Oktober waren die Balkanstaaten gar nicht mehr vertreten. Hingegen kamen im Oktober 78% der Neuzugänge aus den drei Staaten Syrien, Irak und Afghanistan, also Staaten mit sehr hohen Schutzquoten von annähernd 100% (Syrien, Irak) bzw. knapp 80% (Afghanistan), sofern die Verfahren in Deutschland durchgeführt werden. Die Gesamtschutzquote aller Herkunftsländer liegt im laufenden Jahr bei 41%, bereinigt (also ohne Dublinverfahren und sonstige Entscheidungen ohne inhaltliche Prüfung des Asylantrags) bei 52%, obwohl mit Albanien, dem Kosovo, Serbien und Mazedonien gleich vier Balkanstaaten mit Schutzquoten von knapp über null (und hohen Entscheidungszahlen) in den Top 10 der Asylstatistik zu finden sind. Mehr als jeder Zweite, dessen Asylantrag hier geprüft wird, bleibt also in Deutschland, Tendenz steigend angesichts der stark gesunkenen Zugangszahlen vom Balkan.
Entschieden wurden im laufenden Jahr 205.000 Asylanträge. Obwohl es damit mehr als doppelt so viele Entscheidungen wie im Vorjahrzeitraum gab, ist die Zahl der anhängigen Verfahren beim BAMF auf 328.000 angewachsen. Hinzu kommt noch eine hohe sechsstellige Zahl an bislang noch nicht im Asylverfahren befindliche Menschen, die in der EASY-Statistik registriert sind, aber noch auf die förmliche Asylantragstellung warten. Angesichts dieses Rückstaus ist die Wiedereinführung der sehr bürokratischen und arbeitsaufwändigen Dublinverfahren für syrische Flüchtlinge, die bereits vor deren Aussetzung nicht funktioniert haben, umso unverständlicher.