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Ungenannte Sicherheitsbeamte machen Politik per Medien
Ein bisschen Lust am Putsch tarnt sich als ernsthafte Besorgnis. So könnte man die Berichterstattung Der Welt Ende Oktober 2015 werten. „Sicherheitsbeamte warten sehnsüchtig auf Merkels ‚Go‘“. Da werden neben vielen Faktenhappen ungenannte Spitzenbeamte zitiert. Vor allem beim Verfassungsschutz, im Bundeskriminalamt, beim Bundesnachrichtendienst und bei der Bundespolizei wüchsen angesichts des aktuellen Kontrollverlustes und der planlosen Masseneinwanderung täglich die Bedenken.
Der hohe Zuzug von Menschen aus anderen Weltteilen wird zur Instabilität unseres Landes führen, warnt ein solcher „mit Sicherheitsfragen betrauter Spitzenbeamter“. Der arme Mann fürchtet Repressalien, so Die Welt. Mit Namen will er „wie viele andere hohe Beamte“ nicht genannt werden. Keine Ahnung, wer ihn schurigeln wollte, auch nicht bei Der Welt. Frau Merkel?
Die Wahrnehmung dieses Dr. No: „Wir produzieren durch diese Zuwanderung Extremisten, die bürgerliche Mitte radikalisiert sich, weil sie diese Zuwanderung mehrheitlich nicht will und dies von der politischen Elite aufgezwungen wird.“ Dann gibt es da noch ein unterschriftsloses Papier, „das unter hochrangigen Sicherheitsbeamten des Bundes kursiert“. Man importiere islamischen Extremismus, arabischen Antisemitismus, nationale und ethnische Konflikte anderer Völker sowie ein anderes Rechts- und Gesellschaftsverständnis“. Die deutschen Sicherheitsbehörden seien und würden nicht in der Lage sein, diese importierten Sicherheitsprobleme und die hierdurch entstehenden Reaktionen auf Seiten der deutschen Bevölkerung zu lösen, liest man da.
Das liest sich nach allen Erfahrungen mit deutschen Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren – siehe NSU – wie eine präventive Exkulpation des Teils der deutschen Bevölkerung, der sich die Optionen vom Brandanschlag bis zum Mord vorbehält.
Als parlamentarische Speerspitze der ungenannt bleibenden Sicherheitsapparatschiks tritt Clemens Binninger, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg und Vorsitzender der parlamentarischen Kommission zur Kontrolle der Geheimdienste auf. Der ist ob seiner vernünftigen Fragen im NSU-Untersuchungsausschuss unverdächtig und kennt, so Die Welt, „die Stärken und Schwächen des deutschen Sicherheitsapparates“. Der leitet mit seinen eher nicht in die Gesamtargumentation passenden Argumenten über zu dem angeblich wie er argumentierenden Ex-BND-Chef August Hanning, der seine Rente nicht verzehren kann, ohne alle damit zu beglücken, dass er bis heute in Deutschland und der Welt exzellent vernetzt ist. Dessen von Der Welt gefeaturtes 10-Punkte-Programm ist zwar einfach gaga, auch wenn er die strikte Anwendung des supranationalen Rechts fordert, was bei ihm allerdings zur sofortigen Grenzschließung für alle Migranten ohne Einreiseerlaubnis inklusive Zurückweisung hinausläuft. Offenbar hat er weder die geltenden noch die in Verhandlung befindlichen Gesetzestexte irgendwie zur Kenntnis genommen.
Das als politischen Fahrplan in der Flüchtlingskrise auszugeben, würde schon erfordern, den Rechtsstaat in keiner Weise mehr ernst zu nehmen. Suggeriert wird im Fortgang des Welt-Artikels, wieder einmal zitierend aus dem Papier eines ungenannten erfahrenen Juristen, Frau Merkel müsse sich womöglich warm anziehen, weil die Grenzbehörden verpflichtet seien, Einreisende aus sicheren Drittstaaten die Einreise zu verweigern. Entgegenstehende Weisungen führten nämlich zu Strafbarkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe zur illegalen Einreise im Wiederholungsfall.
Tatsächlich habe die Bundespolizei im Juli geplant, „entsprechenden Asylbewerbern“ die Einreise zu verweigern, was aber auf Anweisung „von oben“ verboten worden sei. Tags zuvor, am 25.10.2015, hatte Die Welt allerdings Hannings Super-Programm abgedruckt, vom sofortigen „Einfrieren“ der gegenwärtigen Migrationsströme auf der Balkanroute über den Beginn eines Bauprogramms von Unterkünften in Jordanien und im kurdischen Nordirak inklusive Beteiligung künftiger Bewohner an der Errichtung dieser Unterkünfte, Geldeinsammelei bei den Golfstaaten und Saudi-Arabien, was sich bisher als ziemlich wenig erfolgreich erwies, mit dem Ziel einer späteren Rückführung in die Heimatregionen. Sein Gedanke, den Familiennachzug zu beschränken, ist ja inzwischen bereits von Teilen der Regierungskoalition aufgegriffen worden.
Zur Gaga-Front der Vorschläge aus dem Sicherheitsbereich muss man auch den Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, zählen. Er gehört nicht zu den ungenannt bleiben Wollenden, sondern zu den unbedingt genannt werden Wollenden als Solist dieser kleineren der deutschen Polizeigewerkschaften. Und weil es fast immer irgendwie schrill genug ist, wird es auch weitgehend abgedruckt – gar als Forderung „der Polizei“. So heißt es auf haz.de am 26.10.2015: „Die Polizei fordert zur Bewältigung des Flüchtlingsansturms 1000 zusätzliche private Helfer.“ Wendt erklärt, dass es die Polizei geben müsse, um Flüchtlinge zu registrieren, zu kontrollieren oder zu transportieren, wofür die Bundespolizei nicht zwingend Polizeibeamte brauche. Man könne die privaten sogenannten bundespolizeilichen Unterstützungskräfte schnell rekrutieren und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Er halte es für unproblematisch, hier hoheitliche Aufgaben zu übertragen. Der Vorschlag ist zu überdenken vor dem Hintergrund, dass so vielleicht einfach auch Rainer Wendt ersetzbar wäre.
Der ist auch amtierender Verschwörungstheoretiker und behauptete gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten Anfang Oktober über „Asyl-Gewalt“: „Die Öffentlichkeit erfährt nur einen Bruchteil.“ Die Lageberichte der Polizei würden der Öffentlichkeit großenteils vorenthalten. Man spreche aktuell über die „größte Herausforderung der Polizeigeschichte seit 1945“. Sogar die Zahl der Unfalltoten steigt, so Rainer Wendt, weil in den Bundesländern die Verkehrsüberwachung zurückgefahren worden sei – wegen der starken Einsatzbelastung im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Das sehen Statistiker anders.
Rainer Wendt hat durchaus nicht immer Unrecht. Er hat aber das Problem, jeden klugen Satz etwa über die Belastung der Polizei in der aktuellen Lage mit exzessiven Formulierungen und unbewiesenen Behauptungen selbst zunichte zu machen.