Das unga­ri­sche Par­la­ment ver­ab­schie­de­te am 6. Juli 2015 eine dras­ti­sche Ver­schär­fung der Asyl­ge­setz­ge­bung, so BBC am 7. Juli 2015. Mit 151 zu 141 Stim­men nah­men die Par­la­men­ta­rie­rIn­nen die Revi­si­on des Asyl­ge­set­zes an. Der Vor­stoß, der ins­be­son­de­re Unter­stüt­zung durch Pre­mier­mi­nis­ter Vik­tor Orbán und sei­ner Fidesz Par­tei sowie der rechts­extre­men Par­tei Job­bik erfah­ren hat­te, ermög­licht die Ver­län­ge­rung der Inhaf­tie­rungs­zeit von Asyl­su­chen­den und die Ein­stel­lung von Ver­fah­ren, soll­ten Schutz­su­chen­de ihre zuge­wie­se­ne Unter­kunft für über 48 Stun­den ver­las­sen. Flücht­lin­ge, die über Ser­bi­en nach Ungarn ein­ge­reist sind, kön­nen künf­tig im Eil­ver­fah­ren in das süd­li­che Nach­bar­land abge­scho­ben wer­den – denn Ser­bi­en wur­de von der unga­ri­schen Regie­rung zum „siche­ren Dritt­staat“ erklärt. Auch der Bau des 175-Kilo­me­ter-lan­gen Sicher­heits­zauns ent­lang der Gren­ze zu Ser­bi­en gehör­te ins Paket der beschlos­se­nen Maß­nah­men. Bereits am 13. Juli ver­kün­de­te die unga­ri­sche Regie­rung, dass mit dem Bau des Zauns begon­nen wer­de. Die ver­schärf­ten Bestim­mun­gen des unga­ri­schen Asyl­rechts sind am 1. August 2015 in Kraft getreten.

Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen lie­fen Sturm gegen die beschlos­se­nen repres­si­ven Maß­nah­men. Am 3. Juli 2015, kurz vor der Abstim­mung im Par­la­ment, hat­te sich UNHCR bereits „zutiefst besorgt“  bezüg­lich der Vor­schlä­ge gezeigt und davor gewarnt, dass sie „ver­hee­ren­de Fol­gen“ haben wür­den. Amnes­ty Inter­na­tio­nal warf der Regie­rung Vic­tor Orbáns vor, sich über völ­ker­recht­li­che Ver­pflich­tun­gen hin­weg­zu­set­zen. Die neu­en Bestim­mun­gen ermög­lich­ten, Asyl­an­trä­ge ohne ein­ge­hen­de indi­vi­du­el­le Über­prü­fung pau­schal abzu­leh­nen. Die Orga­ni­sa­ti­on for­der­te eine Über­prü­fung der Bestim­mun­gen durch das unga­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richt. Amnes­ty Inter­na­tio­nal hat­te am 7. Juli 2015 den Bericht “Bal­kans: Refu­gees and Migrants Bea­ten by Poli­ce, Left in Legal Lim­bo and Fai­led by the EU” ver­öf­fent­licht. Flücht­lin­ge, die irre­gu­lär nach Ungarn gelang­ten, wür­den regel­mä­ßig unter ent­wür­di­gen­den Bedin­gun­gen inhaf­tiert oder Miss­hand­lun­gen durch die Poli­zei aus­ge­setzt, so doku­men­tiert die umfang­rei­che Studie.

Mit­te Juli ver­kün­de­te die unga­ri­sche Regie­rung außer­dem, städ­tisch gele­ge­ne Flücht­lings­la­ger zu schlie­ßen und Schutz­su­chen­de weit außer­halb von bewohn­ten Gebie­ten in Zel­ten unter­zu­brin­gen. Orbán begrün­det sei­ne Poli­tik damit, dass es sich bei den Flücht­lin­gen – die zum Groß­teil aus den Kriegs­ge­bie­ten in Syri­en, dem Irak oder Afgha­ni­stan stam­men – um „Wirt­schafts­flücht­lin­ge“ han­de­le, die „das christ­li­che Euro­pa […] zer­stö­ren“ woll­ten. Die von Orbán ange­kün­dig­ten Maß­nah­men sol­len nicht nur ver­hin­dern, dass wei­te­re Flücht­lin­ge ins Land gelan­gen. Auch „die, die hier sind, sol­len nach Hau­se gehen“, so Orbán. Im Weg ste­hen ihm dabei nur die Richt­li­ni­en der Euro­päi­schen Uni­on, die Ungarns Minis­ter­prä­si­dent  auf euro­päi­scher Ebe­ne zu „bekämp­fen“ versprach.

Glück­li­cher­wei­se gibt es aber auch in Ungarn ande­re Stim­men. Am 16. Juli 2015 pro­tes­tier­ten ca. 1.000 Per­so­nen in Buda­pest gegen den Grenz­zaun. Zu der Demons­tra­ti­on hat­ten ver­schie­de­ne Grup­pen, dar­un­ter Migs­zol (Migrant Soli­da­ri­ty Group of Hun­ga­ry), auf­ge­ru­fen, auch vie­le Flücht­lin­ge betei­lig­ten sich. Die Demons­tra­ti­on zog von der Basi­li­ka vor das Par­la­ment, wo ein von den Akti­vis­ten sym­bo­lisch errich­te­ter Zaun von den Pro­tes­tie­ren­den zer­stört wur­de. Wie das Euro­pean Coun­cil on Refu­gees and Exi­les (ECRE) berich­tet, haben sich außer­dem in Buda­pest wie auch in eini­gen Grenz­or­ten Men­schen orga­ni­siert, um Lebens­mit­tel oder Klei­dung zu sam­meln und sich um die ankom­men­den Flücht­lin­ge zu kümmern.

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