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Ungarn: NGOs alarmiert über Pläne der ungarischen Regierung gegen Flüchtlinge und MigrantInnen
Die ungarische Regierung plant neue Maßnahmen, um den Zugang für Asylsuchende nach Ungarn weiter zu erschweren. Dem Ungarischen Helsinki Komitee (HHC) zufolge kündigten Premierminister Viktor Orbán und andere RegierungsvertreterInnen verschiedene repressive Maßnahmen an. Darunter eine Gesetzesänderung, welche es den Behörden ermöglichen soll, alle MigrantInnen – auch Asylsuchende –, die unautorisiert die Grenze nach Ungarn überquert haben, sofort zu inhaftieren und abzuschieben. Darüber hinaus sollen die Asylverfahren beschleunigt werden, so dass Entscheidungen innerhalb weniger Tage gefällt werden können und Asylsuchende sowie papierlose MigrantInnen zur Arbeit verpflichtet werden, um für ihren Lebensunterhalt selber aufzukommen. „Diese Pläne würden nicht nur EU-Recht und andere internationale Verpflichtungen verletzen, sondern als Teil einer Reihe von Angriffen auf die Rechtstaatlichkeit seit 2010 die Verpflichtung des Landes zu europäischen demokratischen Werten weiter untergraben. Die Regierung hat mehrfach zugestanden, dass sie sich bewusst sei, dass die geplanten Änderungen gegen EU-Recht verstoßen. Dennoch sei sie bereit, gegen „Brüssels Willen“ zu handeln“, so HHC.
42.777 Menschen haben 2014 ein Asylgesuch in Ungarn gestellt (zum Vergleich: 2013 lag die Zahl der Asylanträge bei 18.900, 2012 bei 2.157). Im Januar und Februar 2015 allein haben 28.535 Schutzsuchende einen Asylantrag gestellt – die große Mehrheit der Asylsuchenden reist jedoch nach kurzer Zeit weiter in andere EU-Staaten. Der staatlichen Migrations- und Asylbehörde (OIN) zufolge sind 80 Prozent der Asylsuchenden nach weniger als 10 Tagen nach Antragstellung nicht mehr auffindbar.
Die meisten Asylsuchenden in Ungarn kamen aus dem Kosovo mit 21.453 Asylgesuchen in 2014 und 22.975 von Januar bis Februar 2015. Dennoch hat keine Person aus dem Kosovo einen Flüchtlings- oder subsidiären Schutzstatus in Ungarn in dieser Zeitspanne erhalten. Dem Ungarischen Helsinki Komitee (HHC) zufolge hätten verstärkte koordinierte Grenzkontrolle an der kosovarisch-serbischen und der serbisch-ungarischen Grenze sowie Kampagnen innerhalb des Kosovo zu einer Abnahme kosovarischer Schutzsuchender in Ungarn seit Ende Februar geführt.
HHC zufolge kam in 2014 und Anfang 2015 die große Mehrheit der nicht-kosovarischen Asylsuchenden in Ungarn aus Konfliktregionen und repressiven Regimen. Im Gegensatz zu den kosovarischen Schutzsuchenden wird diese Gruppe kaum abnehmen. Afghanische Flüchtlinge stellten die größte Gruppe dar mit 8.796 Asylanträgen in 2014 bzw. 2.631 im Januar und Februar 2015. Syrische Asylsuchende stellten mit 6.857 Anträgen in 2014 und 1.226 im Januar und Februar 2015 die zweitgrößte Gruppe dar.
Angesichts dieser Zahlen sind die Äußerungen aus Regierungskreisen in Ungarn besonders besorgniserregend. Bereits im Januar 2015 hatte Premierminister Viktor Orbán sich nach den Terroranschlägen in Paris unmissverständlich für eine repressive Asyl- und Migrationspolitik ausgesprochen: „Wirtschaftliche Migration ist eine schlechte Sache für Europa, man sollte sie nicht als etwas anschauen, das einen Gewinn mit sich bringen könnte. Sie bringt nur Schmerz und Bedrohung nach Europa. Einwanderung muss daher gestoppt werden, das ist die ungarische Position. (…) Wir wollen unter uns keine bedeutende Minderheit haben mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund und unterschiedlichen Eigenschaften als unsere eigenen. Wir würden Ungarn gerne als Ungarn bewahren.“
Die aktuellen Regierungspläne scheinen diesen Worten Taten folgen zu lassen. Noch ist öffentlich nicht bekannt, wann die Änderungen präsentiert werden und wann die Pläne zur Ausweitung der Haftkapazitäten umgesetzt werden sollen.