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Schweden: EGMR verurteilt Abschiebung tschetschenischer Flüchtlinge nach Russland
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sprach in einem Gerichtsurteil vom 5. September 2013 Schweden für schuldig: Im Fall I. vs. Schweden kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Abschiebung einer tschetschenischen Familie nach Russland einen Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bedeutet habe. 2007 hatte die Familie einen Asylantrag in Schweden eingereicht. Beide Eltern gaben an, in Tschetschenien gefoltert worden zu sein. Herr I. sei außerdem von Sicherheitskräften gesucht worden, da er die Exekution von tschetschenischen Dorfbewohnern durch russische Truppen dokumentiert hatte. Ein Journalist, mit dem er in der Sache Kontakt hatte, wurde kurz darauf umgebracht. Das Ehepaar berichtete, dass Frau I. vom russischen Sicherheitsdienst entführt wurde und Herr I. vom Militär festgenommen, in einem Keller inhaftiert und unter Folter gezwungen worden war, Informationen über tschetschenische Rebellen preiszugeben. Das Schwedische Migrationsamt lehnte den Antrag der Familie ab mit dem Argument, die Situation in Tschetschenien oder die Situation von Tschetschenen in Russland alleine rechtfertige die Erteilung eines Schutzstatus nicht. Auch seien die Berichte der Schutzsuchenden inkohärent und unvollständig gewesen. Der EGMR bestätigte, dass in Tschetschenien nach wie Menschen verschleppt würden und es zu willkürlicher Inhaftierung und Missbrauch in Haftanstalten käme. Dennoch sei die allgemein unsichere Situation in der Region nicht ausreichend, um bei einer Abschiebung der Antragsteller von einer Verletzung des Artikels 3 auszugehen. Das Gericht gab der schwedischen Migrationsbehörde recht, dass bestimmte Ungereimtheiten im Antrag des Ehepaares bestünden. Dennoch befand der EGMR, dass bei der kumulativen Berücksichtigung der individuellen Faktoren substantielle Gründe vorlägen, von einem hohen Risiko für die Betroffenen auszugehen, bei einer Abschiebung in Russland Opfer von Missbrauch zu werden. Schweden wurde auf dieser Grundlage schuldig gesprochen.
Urteil I. vs. Schweden: http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng-press/pages/search.aspx?i=003–4480048-5398617#{%22itemid%22:[%22003–4480048-5398617%22]}