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Schweden: EGMR spricht Urteil gegen Abschiebung einer Familie in den Irak aus
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 23. August 2016 befand, dass einer irakischen Familie, die in Schweden einen Asylantrag gestellt hatte, bei ihrer Abschiebung in ihr Herkunftsland unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohe – und damit eine Verletzung von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Das Gericht stützte sein Urteil auf die sich verschlechternde Sicherheitslage im Irak. Das Gericht erklärte, die Familie (ein Paar mit ihrem Sohn) sei im Irak Misshandlungen durch Al-Qaeda ausgesetzt gewesen. Der Vater, der ein Bau- und Transportunternehmen besaß, habe zu einer systematisch bedrohten Zielgruppe gehört aufgrund seiner Geschäftsbeziehungen zu den US-amerikanischen Streitkräften. Dem Gericht zufolge sei dies ein klarer Hinweis darauf, dass der Familie weiterhin Gefahr durch Al-Qaeda im Irak drohe. Dem Urteil des EGMR zufolge habe sich die Sicherheitslage im Irak seit 2011 und 2012 bedeutend verschlechtert. Aufgrund zunehmender Gewalt und Angriffe durch den IS/Daesh befänden sich weite Teile des Landes nicht mehr unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Die irakischen Behörden seien daher nicht mehr in der Lage, ihre BürgerInnen ausreichend zu schützen.
Dem Europäischen Asylunterstützungsbüro (EASO) zufolge gehören irakische Schutzsuchende zu den drei größten Gruppen, die aktuell in der EU um Asyl ersuchen. Allein im Juli 2016 erfasste EASO 11.294 Asylanträge von Menschen aus dem Irak. Dennoch sind irakische Schutzsuchende inzwischen von der europäischen Umverteilung (relocation) aus Italien und Griechenland ausgeschlossen. Mit einer EU-weiten Anerkennungsquote von 60% fallen sie aus dem Mechanismus heraus, der nur Flüchtlingsgruppen mit einer Anerkennung von mindestens 75% berücksichtigt. Das Urteil des EGMR zeigt, wie realitätsfern die Entscheidungen über die Schutzbedürftigkeit von irakischen Flüchtlingen in der EU aktuell erfolgen – mit fatalen Folgen für die Betroffenen.