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Niedersächsisches Innenministerium formuliert Anforderungen zum Umgang mit suizidgefährdeten Flüchtlingen – Kritiklose Positionierung zu Menschenrechtsverletzungen in Bulgarien
Im Rahmen einer Sitzung des niedersächsischen Landtages am 13. Mai 2015 hat das niedersächsische Innenministerium namens der Landesregierung eine mündliche Anfrage zweier Grünen-Abgeordneter beantwortet. Es ging dabei um einen marokkanischen Flüchtling, der aus Verzweiflung wegen seiner drohenden Abschiebung am 18. April 2015 versucht hatte, sich durch Selbstverbrennung das Leben zu nehmen und anschließend mit schweren Verletzungen in eine Spezialklinik kam. Ihm hatte zuvor die Abschiebung nach Bulgarien im Rahmen des Dublinverfahrens gedroht. Das zuständige Verwaltungsgericht Osnabrück hatte trotz des ärztlichen Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung und einer Suizidgefährdung einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes abgelehnt. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass das bulgarische Asylsystem nicht unter systemischen Mängeln leide. Das Innenministerium trägt in seiner Anfragebeantwortung die bisherigen Erkenntnisse zu den dramatischen Ereignissen zusammen. Der Asylsuchende hatte über Notruf selbst seinen Suizid angekündigt. Die Abschiebungsanordnung sei zwischenzeitlich wegen der Ausübung des Selbsteintrittsrechts vom Bundesamt aufgehoben worden, wobei es allerdings bei der Ablehnung des Asylantrags geblieben sei. Der Betroffen gelte zurzeit als geduldet. In den allgemeinen Vormerkungen der Landesregierung wird allerdings die Position der Bundesregierung zur Lage in Bulgarien kritiklos übernommen, ohne auf Kritik und Kommentationen von Menschenrechtsverstößen in Bulgarien von Seiten vieler Nichtregierungsorganisationen einzugehen. Man versteigt sich sogar zu der Behauptung, dass die ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung des Asylsystems in Bulgarien bereits deutliche Verbesserungen bewirkt hätten. Die Landeregierung verweist auf die Zuständigkeit des Bundes für die Prüfung der Zulässigkeit von Abschiebungen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung. Der Bund ist verantwortlich für die Strategie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das im vorliegenden Fall zwar auf eine Abschiebung nach Bulgarien verzichtet hat, den Asylantrag des Flüchtlings aber als Zweit- oder Folgeantrag wertet, sodass die gesamte Fluchtvorgeschichte nicht in einem Asylverfahren gewürdigt wird.
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