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Neu aufgerolltes Strafverfahren: Schuldfrage zum Tod von Oury Jalloh bleibt weiter ungeklärt
Zum Ende der Beweisaufnahme im Magdeburger Oury-Jalloh-Prozess hat sich die Internationale Liga für Menschenrechte am 16. November 2012 mit einer Pressemitteilung zu Wort gemeldet und das Verfahren kritisiert sowie weitere Ermittlungen gefordert. Zum Abschluss der Beweisaufnahme im Prozess um den Verbrennungstod von Oury Jalloh im Polizeigewahrsam in Dessau, der nach einem Urteil des BGH neu aufgerollt werden musste, werden am 4. Dezember 2012 nach 22 Monaten und mehr als 60 Verhandlungstagen die Fragen nach dem Brandausbruch voraussichtlich weiterhin unbeantwortet bleiben. Eine Untersuchung der Umstände, die den Ausbruch des Feuers erklären würden, habe es nicht gegeben. Ligapräsidentin Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin übte heftige Kritik am Verfahrensverlauf: „Die Selbstbeschränkung des Gerichts auf das Ziel, ausschließlich den Verlauf des Feuers nach Brandausbruch zu rekonstruieren und die mögliche Schuld des Dienstgruppenleiters an der Verbrennung des Inhaftierten zu untersuchen, wirkte sich als Grenze der richterlichen Unabhängigkeit aus. Demonstriert wurde eine unverständliche Langmut gegenüber offen zu Tage getretenen Widersprüchen zwischen Zeugenaussagen und Indizien bis hin zu einer regelrechten Blindheit gegenüber den vielen, auch in diesem Fall ‚verschwundenen‘ und nachkorrigierten Beweismitteln. Unserer Auffassung nach haben sich in Sachsen-Anhalt Polizei- und Innenbehörden der Vertuschung ihrer ‚inneren Zustände‘ verdächtig gemacht, während Staatsanwaltschaft und Gerichte ihrem gesetzlichen Kontrollauftrag nicht in erforderlichem Maße nachgekommen sind.“ Die Liga stellt fest, dass die Selbstanzündungshypothese einen unvoreingenommenen Blick auf andere – nach Lage der bisherigen Beweisaufnahmen gleichberechtigte – Hypothesen verstelle. Dazu gehöre die Möglichkeit, dass der Brand durch Drittverschulden verursacht wurde und ebenso, dass ein Mord durch Polizeibeamte nicht ausgeschlossen werden könne.