Fachnewsletter
Menschenrechtskommissar des Europarates verurteilt Abschiebungen nach Ungarn
Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarates veröffentlichte am 13. Januar 2016 seine „schriftlichen Beobachtungen“ nach einer Recherchereise nach Ungarn Ende November, die er am Mitte Dezember 2015 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht hatte. Anlass für seine schriftliche Stellungnahme hatten zwei Klagen gegen Österreich gegeben hinsichtlich der Abschiebung der Kläger nach Ungarn im Rahmen der Dublin III-Verordnung.
„Aufgrund der umfassenden Änderungen im ungarischen Asylgesetz und der Praxis in den letzten Monaten werden Asylsuchende, die dorthin abgeschoben werden, einem bedeutenden Risiko ausgesetzt, Menschenrechtsverletzungen zu erleiden“, mahnte Muižnieks. Der Menschenrechtskommissar betonte, dass ein großer Anteil derjenigen, die in den letzten Monaten nach Ungarn abgeschoben wurden, in Asylhaftzentren inhaftiert worden seien – unter einem äußerst restriktiven Haftregime ohne Zugang zu effektiven Rechtsmitteln, um rechtlich gegen die Inhaftierung vorzugehen. Muižnieks stellte außerdem fest, dass über Dublin III Abgeschobene keine einzelfallbezogene Prüfung ihres Asylantrags erhielten. Grund dafür sei die Einstufung Serbiens als „sicheren Drittstaat“ durch die ungarische Regierung – das Land, über welches die Mehrheit der Schutzsuchenden nach Ungarn einreist. „Diese Situation entzieht Flüchtlingen ihr Recht auf eine sorgfältige Prüfung ihres Antrags und setzt sie einem sehr hohen Risiko aus, nach Serbien abgeschoben zu werden und von dort in andere Länder, in denen sie dem Risiko von Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ausgesetzt sind“, kommentierte Muižnieks.
Bereits am 10. Dezember 2015 hatte die Europäische Kommission eine begründete Stellungnahme an die ungarische Regierung geschickt und damit den ersten Schritt für ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Gesetzesänderungen vom Juli und September 2015 seien inkompatibel mit der Qualifikations-Richtlinie 2013/32/EU und damit mit EU-Recht. Auch Richtlinie 2010/64/EU, die das Recht auf Übersetzung in Strafverfahren festschreibe, werde verletzt.