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LAGeSo-Affäre: Umstrukturierung der Unterbringungsleitstelle reicht nicht
Vernichtende Ergebnisse hat ein Bericht einer externen Wirtschaftsprüfungsfirma zum Verwaltungshandeln des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales bei der Auftragsvergabe an Betreiber von Flüchtlingsunterkünften zutage gefördert. Man kann es so zusammenfassen: Eigentlich nichts, was Minimalvoraussetzung einer funktionierenden Bürokratie ist, war beim LAGeSo gegeben. Der Bericht kommt zu einem vernichtenden Urteil über die Aktenführung, die laut Bericht unsystematisch, lückenhaft und intransparent war. Es fehlen durchweg Rechnungen und Zahlungsnachweise zu Errichtung und Betrieb der Unterkünfte, also zwingende Voraussetzungen für ordnungsgemäße Zahlungen. In keinem Fall habe es eine Ausschreibung für Unterkünfte oder deren bauliche Herrichtung gegeben. Die Berichterstattung der Medien hatte sich, wie zuvor bereits bei Bekanntwerden erster Vorwürfe gegen die Praxis des LAGeSo, auf die Frage der politischen Verantwortung des zuständigen Senates konzentriert und die Chance zu Folgerecherchen bislang ausgelassen. Der Bericht der Wirtschaftsprüfer könnte Anlass sein für eine Vielzahl weiterer Nachfragen. Er wurde in einer 53-seitigen Presseversion veröffentlicht, während der Gesamttext mit 200 Seiten der Geheimhaltung unterliegt. Auf der Basis der Pressefassung lässt sich jedenfalls nicht beurteilen, ob nicht doch durch das extrem defizitäre Kontrollsystem Möglichkeiten persönlicher Bereicherung bestanden haben. Die Wirtschaftsprüfungsfirma stellt über ihren Prüfungsauftrag hinaus fest, dass ihr keine Hinweise bei der Prüfung der Ordnung zur Kenntnis gelangt sind, die dieses nahelegten. Das wirkt ziemlich seltsam vor dem Hintergrund der Feststellung im Prüfungsbericht, dass sich von wenigen Ausnahmen abgesehen, Rechnungen und sonstige Dokumentationen zu Zahlungsabläufen hinsichtlich der Herrichtungskosten einerseits und des laufenden Betriebs der jeweiligen Unterkunft andererseits nicht in den Ordnern befunden hätte und man sich daher den Ablauf des Zahlungsverkehrs mündlich erläutern und beispielhaft habe zeigen lassen müssen. Teile von Verwaltungsabläufen wurden nach Angaben des Berichts gar nicht dokumentiert, über die Vollständigkeit der Verwaltungsvorgänge lasse sich keine Aussage treffen. Schlimmer kann eine Diagnose kaum sein. Auch die Einhaltung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit könne mangels öffentlicher Ausschreibungen und Begründungen für die Ausnahme vom Vergabegrundsatz nicht bestätigt werden. Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu verschiedenen Betreibern fanden sich nicht, Erwägungen zu kostengünstigeren Alternativen ebenfalls nicht. Da die Innenrevision nicht funktioniert hat, die Prüfungen der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit nach haushaltsrechtlichen Vorgaben nicht gewährleistet war, so der Bericht, muss man sich fragen, wer hier profitiert hat und welche Schäden entstanden sind. Immerhin hat man Betreibern in 11 Fällen eine seltsame „Liquiditätsfinanzierung“ von Seiten des LAGeSo gezahlt, was die Wirtschaftsprüfer als die Gewährung eines Darlehens ohne Konditionen, Laufzeitbestimmungen, Verzinsung und Sicherheiten ansehen. Schadenersatz? Das wird schwierig, so die Wirtschaftsprüfer. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass dem Land ein finanzieller Schaden entstanden sei. Die Schadenshöhe sei jedoch spekulativ, weil man ermitteln müsste, ob z.B. im Falle einer Ausschreibung in der konkreten Situation ein günstiger Preis erzielbar gewesen wäre. Retrospektiv müsste man dann Alternativangebote simulieren. Immerhin: Wenn man bislang Rückforderungsansprüche nicht verfolgt hat, Überzahlungen nicht zurückforderte, überteuerte Leistungen vergütete und Doppelzahlungen nicht korrigierte, kann man vielleicht wenigstens hierzu einen Schaden beziffern. Bezweifeln darf man, dass es den LAGeSo-Chef am Ende treffen wird, denn der könnte im Gegenzug vielleicht Näheres sagen, wer denn noch von den langjährigen Praktiken wusste. Der Flüchtlingsrat Berlin hat sich in einer Pressemitteilung vom 22.06.2015 mit der vom Sozialsenator Czaja angekündigten Umstrukturierung der Unterbringungsleitstelle auseinandergesetzt. Weder garantiere die Anbindung an die Sozialverwaltung bessere Unterbringungsstandards, noch würden die Missstände der anderen für die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden zuständigen Stellen überhaupt angegangen. Zu befürchten sei, dass es künftig hauptsächlich um die größtmögliche Wirtschaftlichkeit gehe. Dabei seien die Praktiken aller drei für Asylsuchende zuständigen Stellen in Berlin wegen Überlastung längst nicht mehr gesetzeskonform. Seit über einem Jahr würden Asylsuchende nicht mehr ordnungsgemäß aufgenommen und versorgt, sondern immer wieder obdachlos gelassen. Zudem würden Krankenbehandlungsscheine aus Überlastungsgründen verweigert.