Am 27. Mai 2015 ver­öf­fent­lich­te die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on ein Doku­ment, das „Best Prac­ti­ces“ von Mit­glied­staa­ten doku­men­tiert, die Regis­trie­rung von Fin­ger­ab­drü­cken Schutz­su­chen­der in der Euro­dac-Daten­bank sicher­zu­stel­len: Ein zen­tra­ler Pfei­ler des Dub­lin-Sys­tems. Die Erfas­sung in der Euro­dac-Daten­bank ist der ein­fachs­te Weg, den für das Asyl­ver­fah­ren zustän­di­gen Mit­glied­staat zu ermit­teln, um so schnell wie mög­lich eine Abschie­bung ein­zu­lei­ten. Doch immer weni­ger Dub­lin-Abschie­bun­gen fin­den tat­säch­lich statt, trotz zahl­rei­cher Rück­über­nah­me­ersu­chen an die EU-Außen­gren­zen­staa­ten. Gerich­te ver­hin­dern Abschie­bun­gen, Flücht­lin­ge flie­hen wei­ter, Fris­ten kön­nen bei­spiels­wei­se über Kir­chen­asyle über­brückt wer­den oder die Behör­den schaf­fen es schlicht nicht, alle Dub­lin-Fäl­le recht­zei­tig zu bear­bei­ten. Auch gelingt es Schutz­su­chen­den immer wie­der die Regis­trie­rung zu ver­mei­den und unbe­merkt in ande­re EU-Län­der wei­ter­zu­rei­sen. Immer wie­der for­der­ten Innen­mi­nis­ter aus den Län­dern im Innern der EU nach einer restrik­ti­ve­ren Hand­ha­bung der Fin­ger­ab­drucks­nah­me in den süd- und süd­ost­eu­ro­päi­schen Staa­ten – mit dem Ziel, wei­ter­rei­sen­de Flücht­lin­ge wie­der zurück­schi­cken zu kön­nen. Dub­lin ist nicht nur im Kern unso­li­da­risch und unmensch­lich. Dub­lin ist selbst auf rein prak­ti­scher Ebe­ne geschei­tert. Auch der Vor­stoß der EU-Kom­mis­si­on ist als Ver­such zu wer­ten, trotz­dem an Dub­lin fest­zu­hal­ten und die Durch­set­zung der Regeln zu verschärfen.

Das Papier wur­de auf eine Befra­gung der Mit­glied­staa­ten hin ver­öf­fent­licht, die auf­grund der zuneh­men­den Ankunfts­zah­len von Flücht­lin­gen und der Wei­ge­rung vie­ler Ankom­men­der sich regis­trie­ren zu las­sen durch­ge­führt wor­den war. Die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on schlägt vor, die­je­ni­gen, die sich wei­gern zu koope­rie­ren, zu inhaf­tie­ren, um ihre Iden­ti­tät oder Natio­na­li­tät fest­zu­stel­len. Schutz­su­chen­de soll­ten  auch über die Mög­lich­keit infor­miert wer­den, dass ihr Schutz­ge­such in einem beschleu­nig­ten Ver­fah­ren behan­delt wer­den könn­te. Selbst die Anwen­dung von Zwang wird nicht aus­ge­schlos­sen, falls nach­ge­wie­sen wer­den kön­ne, dass kei­ne prak­ti­ka­blen Alter­na­ti­ven ver­füg­bar sei­en. Die emp­foh­le­nen Maß­nah­men sind skan­da­lös. Asyl­su­chen­de zu inhaf­tie­ren, die sich wei­gern, ihre Fin­ger­ab­drü­cke zur Fest­stel­lung ihrer Iden­ti­tät oder Natio­na­li­tät abzu­ge­ben, ist hoch­pro­ble­ma­tisch. Die Regis­trie­rung von Fin­ger­ab­drü­cken in der Euro­dac-Daten­bank ist nicht direkt rele­vant für die Ermitt­lung der Iden­ti­tät oder Natio­na­li­tät – erst der Abgleich der Daten mit den Behör­den der Her­kunfts­län­der wäre hier ziel­füh­rend. Ein Vor­ge­hen, was die Asyl­ver­fah­rens­richt­li­nie klar ver­bie­te, kom­men­tier­te  der Euro­päi­sche Flücht­lings­rat ECRE. Abwe­gig ist außer­dem der Vor­schlag der Anwen­dung von Zwang zur Abnah­me von Fin­ger­ab­drü­cken. Er ist umso frap­pie­ren­der, da in 15 von 28 EU-Staa­ten die Anwen­dung von Gewalt zu die­sem Zweck bis­her ver­bie­ten. Die Anwen­dung von phy­si­schem Zwang kann selbst in Aus­nah­me­fäl­len nie­mals ange­mes­sen sein, wenn es um die Regis­trie­rung von Fin­ger­ab­drü­cken geht.

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