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Bundestagsdebatte zum Gesetzentwurf der Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten
Am 6. Juni 2014 fand im Bundestag eine Debatte über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten (und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer) statt. Der Bundesinnenminister behauptete, die Bundesregierung habe sich die Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten nicht leicht gemacht und sich ein Gesamturteil über die Verhältnisse in diesen Staaten gebildet. Gegen alle Fakten behauptet Bundesinnenminister de Maizière nach der Berichterstattung des Auswärtigen Amtes sowie unter Berücksichtigung der Erkenntnisse lokaler Menschenrechtsgruppen, vor Ort vertretene Nichtregierungsorganisationen und internationale Organisationen könnten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina „wirklich als sichere Herkunftsstaaten angesehen werden.“ PRO ASYL hatte mit seinen Veröffentlichungen zum Thema im April und Mai den Gegenbeweis bereits geführt. So ganz genau kommt es Herrn de Maizière wohl auch nicht darauf an. Höhepunkt seines Redebeitrags ist die Aussage: „Serbien, mit dem die EU den Status eines EU-Beitrittskandidaten verabredet hat, bittet selbst um die Aufnahme in die Liste als sicheres Herkunftsland.“ Nach dieser Methode wäre die Liste der sicheren Herkunftsländer vermutlich beliebig verlängerbar. Man bitte die Regierungen der ins Auge gefassten Staaten um ihre freundliche Selbstauskunft. Gibt es einen Staat dieser Welt, der kein Interesse hätte, auf die deutsche Liste sicherer Herkunftsstaaten zu gelangen? Nordkorea vielleicht? De Maizière fährt mit einem Argument fort, für das viele deutsche Schüler der letzten Jahrzehnte wohl mit verschärften Stubenarrest bestraft worden wären: Die anderen haben es doch auch gemacht! Ja, es gibt einige europäische Staaten, die mit derselben Gewissenlosigkeit Serbien Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten eingestuft haben und zum Teil auch heftig dorthin abschieben. Im Zuge der Beitrittsverhandlungen mit Serbien werde doch ohnehin vieles thematisiert und besser, so die Integration der Minderheiten. „Es ist von einem Staat, der Mitglied der Europäischen Union werden will, nicht zu viel verlangt, dass er seine eigenen Minderheiten vernünftig behandelt.“ Wenn das die Marge ist, dann ist schon bei früheren Beitrittsprozessen einiges versäumt worden, wie etwa die Situation der Roma in Rumänien und Bulgarien belegt. Auch Thomas Strobl (CDU/CSU) vertritt die absurde Auffassung, es komme doch im Wesentlichen auf den politischen Willen der Balkanstaaten an, ob man sich sicher fühle: „Serbien ist auf dem Weg in die europäische Wertegemeinschaft. Deswegen finde ich es sehr bemerkenswert und begrüße es, dass Serbien selbst um Aufnahme in die Liste der sicheren Herkunftsländer gebeten hat. Diesem Wunsch sollten wir doch auch entsprechen.“ Wertegemeinschaft anderswo sieht Strobl auch in der Tatsache, dass Albanien seit 2009 NATO-Mitglied sei. Die Europäische Kommission habe empfohlen, Albanien den Status eines Beitrittskandidaten für die EU zu verleihen. Und auch hier gehe man davon aus, dass sich Albanien unserer Wertegemeinschaft annähere. Die Kapazitäten in Deutschland müssten für die wirklich politisch Verfolgten wie etwa die aus Syrien genutzt werden. Das sei man diesen und den deutschen Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Die Konsequenz dieser Konstruktion ist eigentlich, dass die Bundesregierung die Welt in sichere und unsichere Herkunftsländer komplett aufteilt. Wertegemeinschaften statt Menschenrechte? Uli Grötsch (SPD) möchte ganz klar Folgendes sagen: „Wir leugnen nicht, dass insbesondere Sinti und Roma Anfeindungen und Diskriminierung in ihren Heimatländern ausgesetzt sind. Wir wissen natürlich, dass gerade diese Bevölkerungsgruppe in ihren Heimatländern oftmals von sozialer Ausgrenzung und rassistischer Diskriminierung betroffen ist.“ Es gelte, die Bedingungen vor Ort in ihren Heimatländern in den Blick zu nehmen – aber sich nicht all zu viel dabei vorzunehmen, denn: „Die Verbesserung der gesellschaftlichen Realitäten kann die deutsche Asylpolitik nicht leisten.“ Was bleibt: Hinwirken auf Irgendetwas im europäischen Kontext. Stephan Mayer (CDU/CSU) macht die mit dem Gesetzentwurf verfolgte Methode, sichere Herkunftsländer nach Gusto der Regierung zu ernennen, zum Programm. Er möchte neben der Verkündung der Asylverfahrensdauer auf drei Monate folgende Regel: „Wenn wir nur annähernd an dieses Ziel herankommen wollen, dann ist es erforderlich, diese Länder, insbesondere die, bei denen die Schutz- und Anerkennungsquoten gegen 0,0 Prozent tendieren oder wirklich 0,0 Prozent betragen, als sichere Herkunftsländer zu deklarieren.“ Und ein paar Sätze geht er weiter: Wenn man sich im Falle Albaniens ansehe, dass in den ersten fünf Monaten des Jahres 2014 dreimal so viele Asylanträge gestellt worden seien wie im letzten Jahr, dann solle dies schon Anlass sein zu prüfen, ob nicht auch Albanien ein sicheres Herkunftsland ist. Man kann das auch so zusammenfassen: Kommen aus einem Staat viele Asylsuchende in kurzer Zeit, dann gilt es, die Anerkennungsquoten in den Keller zu fahren und man kann dann die Liste der sicheren Herkunftsstaaten erweitern. Wie man das macht, hat der ehemalige Bundesinnenminister Friedrich mit seiner Aktion Westbalkan vorgemacht, die jetzt mit dem aktuellen Gesetzentwurf gekrönt werden soll. Es ist die bedauernswerte Armut der Roma, vielleicht noch beklagenswerte Diskriminierung, die die Roma zu uns kommen lässt, nicht aber irgendetwas, was mit Menschenrechten und Asylrecht zu tun hat, so der Tenor der Beiträge der Vertreter der Regierungskoalition. Und da wird man jetzt ganz gewaltige Anstrengungen unternehmen müssen, auf die Balkanregierungen ausländerpädagogisch einzuwirken. Die Abgeordnete Nina Warken (CDU/CSU): „Deutschland ist sich seiner historischen Verantwortung sehr bewusst. Deshalb ist es auch richtig, dass die Gruppe der Sinti und Roma als nationale Minderheit in unserem Land anerkannt ist und einen besonderen Schutz und eine spezifische Förderung erhält. Gerade deshalb müssen wir unbedingt darauf hin wirken, dass Roma denselben Schutz auch in Serbien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina genießen.“ Sind wir nicht famos? Da haben wir ein paar tausend zum Teil seit Jahrhunderten hier ansässige Sinti und Roma als nationale Minderheit anerkannt und fördern sie. Unser Beitrag zur Aufarbeitung des Völkermordes an Sinti und Roma. Das soll uns erst mal einer auf dem Balkan nachmachen.