01.07.2014

Newsletter Jul 2014

Am 6. Juni 2014 fand im Bun­des­tag eine Debat­te über den von der Bun­des­re­gie­rung ein­ge­brach­ten Ent­wurf eines Geset­zes zur Ein­stu­fung wei­te­rer Staa­ten als siche­re Her­kunfts­staa­ten (und zur Erleich­te­rung des Arbeits­markt­zu­gangs für Asyl­be­wer­ber und gedul­de­te Aus­län­der) statt. Der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter behaup­te­te, die Bun­des­re­gie­rung habe sich die Ein­stu­fung von Ser­bi­en, Maze­do­ni­en und Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na als siche­re Her­kunfts­staa­ten nicht leicht gemacht und sich ein Gesamt­ur­teil über die Ver­hält­nis­se in die­sen Staa­ten gebil­det. Gegen alle Fak­ten behaup­tet Bun­des­in­nen­mi­nis­ter de Mai­ziè­re nach der Bericht­erstat­tung des Aus­wär­ti­gen Amtes sowie unter Berück­sich­ti­gung der Erkennt­nis­se loka­ler Men­schen­rechts­grup­pen, vor Ort ver­tre­te­ne Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen könn­ten Ser­bi­en, Maze­do­ni­en und Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na „wirk­lich als siche­re Her­kunfts­staa­ten ange­se­hen wer­den.“ PRO ASYL hat­te mit sei­nen Ver­öf­fent­li­chun­gen zum The­ma im April und Mai den Gegen­be­weis bereits geführt. So ganz genau kommt es Herrn de Mai­ziè­re wohl auch nicht dar­auf an. Höhe­punkt sei­nes Rede­bei­trags ist die Aus­sa­ge: „Ser­bi­en, mit dem die EU den Sta­tus eines EU-Bei­tritts­kan­di­da­ten ver­ab­re­det hat, bit­tet selbst um die Auf­nah­me in die Lis­te als siche­res Her­kunfts­land.“ Nach die­ser Metho­de wäre die Lis­te der siche­ren Her­kunfts­län­der ver­mut­lich belie­big ver­län­ger­bar. Man bit­te die Regie­run­gen der ins Auge gefass­ten Staa­ten um ihre freund­li­che Selbst­aus­kunft. Gibt es einen Staat die­ser Welt, der kein Inter­es­se hät­te, auf die deut­sche Lis­te siche­rer Her­kunfts­staa­ten zu gelan­gen? Nord­ko­rea viel­leicht? De Mai­ziè­re fährt mit einem Argu­ment fort, für das vie­le deut­sche Schü­ler der letz­ten Jahr­zehn­te wohl mit ver­schärf­ten Stu­ben­ar­rest bestraft wor­den wären: Die ande­ren haben es doch auch gemacht! Ja, es gibt eini­ge euro­päi­sche Staa­ten, die mit der­sel­ben Gewis­sen­lo­sig­keit Ser­bi­en Maze­do­ni­en und Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na als siche­re Her­kunfts­staa­ten ein­ge­stuft haben und zum Teil auch hef­tig dort­hin abschie­ben. Im Zuge der Bei­tritts­ver­hand­lun­gen mit Ser­bi­en wer­de doch ohne­hin vie­les the­ma­ti­siert und bes­ser, so die Inte­gra­ti­on der Min­der­hei­ten. „Es ist von einem Staat, der Mit­glied der Euro­päi­schen Uni­on wer­den will, nicht zu viel ver­langt, dass er sei­ne eige­nen Min­der­hei­ten ver­nünf­tig behan­delt.“ Wenn das die Mar­ge ist, dann ist schon bei frü­he­ren Bei­tritts­pro­zes­sen eini­ges ver­säumt wor­den, wie etwa die Situa­ti­on der Roma in Rumä­ni­en und Bul­ga­ri­en belegt. Auch Tho­mas Strobl (CDU/CSU) ver­tritt die absur­de Auf­fas­sung, es kom­me doch im Wesent­li­chen auf den poli­ti­schen Wil­len der Bal­kan­staa­ten an, ob man sich sicher füh­le: „Ser­bi­en ist auf dem Weg in die euro­päi­sche Wer­te­ge­mein­schaft. Des­we­gen fin­de ich es sehr bemer­kens­wert und begrü­ße es, dass Ser­bi­en selbst um Auf­nah­me in die Lis­te der siche­ren Her­kunfts­län­der gebe­ten hat. Die­sem Wunsch soll­ten wir doch auch ent­spre­chen.“ Wer­te­ge­mein­schaft anders­wo sieht Strobl auch in der Tat­sa­che, dass Alba­ni­en seit 2009 NATO-Mit­glied sei. Die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on habe emp­foh­len, Alba­ni­en den Sta­tus eines Bei­tritts­kan­di­da­ten für die EU zu ver­lei­hen. Und auch hier gehe man davon aus, dass sich Alba­ni­en unse­rer Wer­te­ge­mein­schaft annä­he­re. Die Kapa­zi­tä­ten in Deutsch­land müss­ten für die wirk­lich poli­tisch Ver­folg­ten wie etwa die aus Syri­en genutzt wer­den. Das sei man die­sen und den deut­schen Bür­ge­rin­nen und Bür­gern schul­dig. Die Kon­se­quenz die­ser Kon­struk­ti­on ist eigent­lich, dass die Bun­des­re­gie­rung die Welt in siche­re und unsi­che­re Her­kunfts­län­der kom­plett auf­teilt. Wer­te­ge­mein­schaf­ten statt Men­schen­rech­te? Uli Grötsch (SPD) möch­te ganz klar Fol­gen­des sagen: „Wir leug­nen nicht, dass ins­be­son­de­re Sin­ti und Roma Anfein­dun­gen und Dis­kri­mi­nie­rung in ihren Hei­mat­län­dern aus­ge­setzt sind. Wir wis­sen natür­lich, dass gera­de die­se Bevöl­ke­rungs­grup­pe in ihren Hei­mat­län­dern oft­mals von sozia­ler Aus­gren­zung und ras­sis­ti­scher Dis­kri­mi­nie­rung betrof­fen ist.“ Es gel­te, die Bedin­gun­gen vor Ort in ihren Hei­mat­län­dern in den Blick zu neh­men – aber sich nicht all zu viel dabei vor­zu­neh­men, denn: „Die Ver­bes­se­rung der gesell­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten kann die deut­sche Asyl­po­li­tik nicht leis­ten.“ Was bleibt: Hin­wir­ken auf Irgend­et­was im euro­päi­schen Kon­text. Ste­phan May­er (CDU/CSU) macht die mit dem Gesetz­ent­wurf ver­folg­te Metho­de, siche­re Her­kunfts­län­der nach Gus­to der Regie­rung zu ernen­nen, zum Pro­gramm. Er möch­te neben der Ver­kün­dung der Asyl­ver­fah­rens­dau­er auf drei Mona­te fol­gen­de Regel: „Wenn wir nur annä­hernd an die­ses Ziel her­an­kom­men wol­len, dann ist es erfor­der­lich, die­se Län­der, ins­be­son­de­re die, bei denen die Schutz- und Aner­ken­nungs­quo­ten gegen 0,0 Pro­zent ten­die­ren oder wirk­lich 0,0 Pro­zent betra­gen, als siche­re Her­kunfts­län­der zu dekla­rie­ren.“ Und ein paar Sät­ze geht er wei­ter: Wenn man sich im Fal­le Alba­ni­ens anse­he, dass in den ers­ten fünf Mona­ten des Jah­res 2014 drei­mal so vie­le Asyl­an­trä­ge gestellt wor­den sei­en wie im letz­ten Jahr, dann sol­le dies schon Anlass sein zu prü­fen, ob nicht auch Alba­ni­en ein siche­res Her­kunfts­land ist. Man kann das auch so zusam­men­fas­sen: Kom­men aus einem Staat vie­le Asyl­su­chen­de in kur­zer Zeit, dann gilt es, die Aner­ken­nungs­quo­ten in den Kel­ler zu fah­ren und man kann dann die Lis­te der siche­ren Her­kunfts­staa­ten erwei­tern. Wie man das macht, hat der ehe­ma­li­ge Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Fried­rich mit sei­ner Akti­on West­bal­kan vor­ge­macht, die jetzt mit dem aktu­el­len Gesetz­ent­wurf gekrönt wer­den soll. Es ist die bedau­erns­wer­te Armut der Roma, viel­leicht noch bekla­gens­wer­te Dis­kri­mi­nie­rung, die die Roma zu uns kom­men lässt, nicht aber irgend­et­was, was mit Men­schen­rech­ten und Asyl­recht zu tun hat, so der Tenor der Bei­trä­ge der Ver­tre­ter der Regie­rungs­ko­ali­ti­on. Und da wird man jetzt ganz gewal­ti­ge Anstren­gun­gen unter­neh­men müs­sen, auf die Bal­kan­re­gie­run­gen aus­län­der­päd­ago­gisch ein­zu­wir­ken. Die Abge­ord­ne­te Nina War­ken (CDU/CSU): „Deutsch­land ist sich sei­ner his­to­ri­schen Ver­ant­wor­tung sehr bewusst. Des­halb ist es auch rich­tig, dass die Grup­pe der Sin­ti und Roma als natio­na­le Min­der­heit in unse­rem Land aner­kannt ist und einen beson­de­ren Schutz und eine spe­zi­fi­sche För­de­rung erhält. Gera­de des­halb müs­sen wir unbe­dingt dar­auf hin wir­ken, dass Roma den­sel­ben Schutz auch in Ser­bi­en, Maze­do­ni­en sowie Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na genie­ßen.“ Sind wir nicht famos? Da haben wir ein paar tau­send zum Teil seit Jahr­hun­der­ten hier ansäs­si­ge Sin­ti und Roma als natio­na­le Min­der­heit aner­kannt und för­dern sie. Unser Bei­trag zur Auf­ar­bei­tung des Völ­ker­mor­des an Sin­ti und Roma. Das soll uns erst mal einer auf dem Bal­kan nachmachen.