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Bundesregierung beantwortet kleine Anfrage zur asylrelevanten Lage in Tschetschenien
Am 25. September 2013 hat die Bundesregierung eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke zur asylrelevanten Lage in Tschetschenien beantwortet (BT-Drucksachen 17/14713 und 17/14795). Die Antwort enthält einige interessante Fakten und problematische Wertungen von Seiten der Bundesregierung. Im Jahr 2012 stellten in Deutschland 3.202 russische Staatsangehörige einen Asylerstantrag, darunter 2.255, die nach eigenen Angaben tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind, sowie 420 Menschen, die sich sonstigen nordkaukasischen Volkszugehörigkeiten zuordnen. Von 12.672 Asylanträgen russischer Staatsangehöriger von Januar bis August 2013 betrafen 11.587 Tschetschenen. Interessant ist die Auflistung der von den Tschetschenen vorgetragenen Asylgründe. Sie lassen sich vor dem Hintergrund der Berichte von Menschenrechtsorganisationen zur Situation in Tschetschenien nachvollziehen. Auch die Bundesregierung schätzt die Menschenrechtslage im Nordkaukasus weiterhin als besorgniserregend ein, insbesondere in Tschetschenien. Sorgen bereiten ihr auch Berichte über Entführungen und außergerichtliche Tötungen, Einschüchterung von und Übergriffe auf Journalisten und Menschenrechtsverteidiger, über mangelhafte Strafverfolgung, Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen. In ihrer Antwort auf Frage 8 teilt die Bundesregierung ihre Einschätzung zu den von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial beschriebenen Gefährdungsprofilen für einzelne Gruppen mit. Bei mutmaßlichen Unterstützern und Sympathisanten von als terroristisch eingestuften Untergrundgruppen bzw. Freunden und Verwandten solcher Unterstützer ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sie im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte stehen. Zu den von Memorial als gefährdet eingestuften Rückkehrern aus westeuropäischen Staaten konstatiert die Bundesregierung, es gebe Berichte in lokalen Medien, dass tschetschenischen Ausreisewilligen signalisiert wurde, sie würden nach einer Rückkehr einer Überprüfung unterzogen, um zu prüfen, ob und inwieweit gegenüber Behörden des Zufluchtslandes möglicherweise Falschaussagen gemacht oder gefälschte Dokumente genutzt wurden. Eine eigenständige Einschätzung wird nicht gegeben. Memorial hatte außerdem eine Gefährdung für alle Menschen zwischen 15 und 30 Jahren gesehen, die sich nicht eindeutig zum Regime des Ramzan Kadyrow bekennen. Da wird die Bundesregierung dann sehr lakonisch: In Tschetschenien kann keine offene Opposition gegenüber Ramzan Kadyrow festgestellt werden, dies gelte nicht nur für den Personenkreis junger Menschen zwischen 15 und 30 Jahren. Wo Friedhofsruhe herrscht, gibt es keine offene Opposition und dementsprechend auch keine Gefährdung? Nachdem einige Medien ziemlich spekulativ behaupteten, mit der Zunahme der Asylanträge tschetschenischer Asylsuchender wachse die Terrorismusgefahr, was offenbar im Wesentlichen eine Hochrechnung ohne neue Erkenntnisse war, stellt die Bundesregierung fest, ihr lägen hierzu keine Erkenntnisse vor. Dies dürfte wohl auch den geheimdienstlichen Bereich einschließen. Während die Bundesregierung für den Terrorismusbereich diese klare Antwort gibt, äußert sie sich zur Frage der Gefährdung durch organisierte Kriminalität eher diffus: „Es ist nicht auszuschließen, dass im Zuge der stark angestiegenen Migration auch weitere Angehörige tschetschenischer OK-Gruppen nach Deutschland gelangen könnten.“ Nichts in dieser Welt ist wirklich auszuschließen, besonders da sich die Weltbevölkerung und die mit ihr verbundenen Risiken bekanntlich vermehren. Viel wichtiger ist jedoch der Bundesregierung, in der Antwort auf Frage 6 festzustellen, dass die Unterbringung, die medizinische Behandlung und psychologische Betreuung in Polen nach ihrer Ansicht ausreichend ist. Es sei davon auszugehen, dass für psychisch kranke Menschen systemische Mängel im in Polen praktizierten Asylverfahren nicht bestehen und darüber hinaus festzuhalten, dass Gründe zur Annahme systemischer Mängel insgesamt nicht vorlägen.