01.11.2013

Newsletter Nov 2013

Am 25. Sep­tem­ber 2013 hat die Bun­des­re­gie­rung eine klei­ne Anfra­ge der Bun­des­tags­frak­ti­on Die Lin­ke zur asyl­re­le­van­ten Lage in Tsche­tsche­ni­en beant­wor­tet (BT-Druck­sa­chen 17/14713 und 17/14795). Die Ant­wort ent­hält eini­ge inter­es­san­te Fak­ten und pro­ble­ma­ti­sche Wer­tun­gen von Sei­ten der Bun­des­re­gie­rung. Im Jahr 2012 stell­ten in Deutsch­land 3.202 rus­si­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge einen Asy­l­erst­an­trag, dar­un­ter 2.255, die nach eige­nen Anga­ben tsche­tsche­ni­scher Volks­zu­ge­hö­rig­keit sind, sowie 420 Men­schen, die sich sons­ti­gen nord­kau­ka­si­schen Volks­zu­ge­hö­rig­kei­ten zuord­nen. Von 12.672 Asyl­an­trä­gen rus­si­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger von Janu­ar bis August 2013 betra­fen 11.587 Tsche­tsche­nen. Inter­es­sant ist die Auf­lis­tung der von den Tsche­tsche­nen vor­ge­tra­ge­nen Asyl­grün­de. Sie las­sen sich vor dem Hin­ter­grund der Berich­te von Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen zur Situa­ti­on in Tsche­tsche­ni­en nach­voll­zie­hen. Auch die Bun­des­re­gie­rung schätzt die Men­schen­rechts­la­ge im Nord­kau­ka­sus wei­ter­hin als besorg­nis­er­re­gend ein, ins­be­son­de­re in Tsche­tsche­ni­en. Sor­gen berei­ten ihr auch Berich­te über Ent­füh­run­gen und außer­ge­richt­li­che Tötun­gen, Ein­schüch­te­rung von und Über­grif­fe auf Jour­na­lis­ten und Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger, über man­gel­haf­te Straf­ver­fol­gung, Dis­kri­mi­nie­rung und Gewalt gegen Frau­en. In ihrer Ant­wort auf Fra­ge 8 teilt die Bun­des­re­gie­rung ihre Ein­schät­zung zu den von der rus­si­schen Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Memo­ri­al beschrie­be­nen Gefähr­dungs­pro­fi­len für ein­zel­ne Grup­pen mit. Bei mut­maß­li­chen Unter­stüt­zern und Sym­pa­thi­san­ten von als ter­ro­ris­tisch ein­ge­stuf­ten Unter­grund­grup­pen bzw. Freun­den und Ver­wand­ten sol­cher Unter­stüt­zer ist die Bun­des­re­gie­rung der Auf­fas­sung, dass sie im beson­de­ren Fokus der Sicher­heits­kräf­te ste­hen. Zu den von Memo­ri­al als gefähr­det ein­ge­stuf­ten Rück­keh­rern aus west­eu­ro­päi­schen Staa­ten kon­sta­tiert die Bun­des­re­gie­rung, es gebe Berich­te in loka­len Medi­en, dass tsche­tsche­ni­schen Aus­rei­se­wil­li­gen signa­li­siert wur­de, sie wür­den nach einer Rück­kehr einer Über­prü­fung unter­zo­gen, um zu prü­fen, ob und inwie­weit gegen­über Behör­den des Zufluchts­lan­des mög­li­cher­wei­se Falsch­aus­sa­gen gemacht oder gefälsch­te Doku­men­te genutzt wur­den. Eine eigen­stän­di­ge Ein­schät­zung wird nicht gege­ben. Memo­ri­al hat­te außer­dem eine Gefähr­dung für alle Men­schen zwi­schen 15 und 30 Jah­ren gese­hen, die sich nicht ein­deu­tig zum Regime des Ram­zan Kady­row beken­nen. Da wird die Bun­des­re­gie­rung dann sehr lako­nisch: In Tsche­tsche­ni­en kann kei­ne offe­ne Oppo­si­ti­on gegen­über Ram­zan Kady­row fest­ge­stellt wer­den, dies gel­te nicht nur für den Per­so­nen­kreis jun­ger Men­schen zwi­schen 15 und 30 Jah­ren. Wo Fried­hofs­ru­he herrscht, gibt es kei­ne offe­ne Oppo­si­ti­on und dem­entspre­chend auch kei­ne Gefähr­dung? Nach­dem eini­ge Medi­en ziem­lich spe­ku­la­tiv behaup­te­ten, mit der Zunah­me der Asyl­an­trä­ge tsche­tsche­ni­scher Asyl­su­chen­der wach­se die Ter­ro­ris­mus­ge­fahr, was offen­bar im Wesent­li­chen eine Hoch­rech­nung ohne neue Erkennt­nis­se war, stellt die Bun­des­re­gie­rung fest, ihr lägen hier­zu kei­ne Erkennt­nis­se vor. Dies dürf­te wohl auch den geheim­dienst­li­chen Bereich ein­schlie­ßen. Wäh­rend die Bun­des­re­gie­rung für den Ter­ro­ris­mus­be­reich die­se kla­re Ant­wort gibt, äußert sie sich zur Fra­ge der Gefähr­dung durch orga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät eher dif­fus: „Es ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass im Zuge der stark ange­stie­ge­nen Migra­ti­on auch wei­te­re Ange­hö­ri­ge tsche­tsche­ni­scher OK-Grup­pen nach Deutsch­land gelan­gen könn­ten.“ Nichts in die­ser Welt ist wirk­lich aus­zu­schlie­ßen, beson­ders da sich die Welt­be­völ­ke­rung und die mit ihr ver­bun­de­nen Risi­ken bekannt­lich ver­meh­ren. Viel wich­ti­ger ist jedoch der Bun­des­re­gie­rung, in der Ant­wort auf Fra­ge 6 fest­zu­stel­len, dass die Unter­brin­gung, die medi­zi­ni­sche Behand­lung und psy­cho­lo­gi­sche Betreu­ung in Polen nach ihrer Ansicht aus­rei­chend ist. Es sei davon aus­zu­ge­hen, dass für psy­chisch kran­ke Men­schen sys­te­mi­sche Män­gel im in Polen prak­ti­zier­ten Asyl­ver­fah­ren nicht bestehen und dar­über hin­aus fest­zu­hal­ten, dass Grün­de zur Annah­me sys­te­mi­scher Män­gel ins­ge­samt nicht vorlägen.