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Bundesinnenminister: Mare Nostrum „Beihilfe zum Schlepperwesen“
In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat sich Bundesinnenminister de Maizière am 8. Januar 2015 zu vielen Aspekten des Asylrechts geäußert. Ganz hart bleibt er bei der Feindbildkonstruktion in Sachen Schlepper. Nach wie vor hält er die italienische Seenotrettungsaktion „Mare Nostrum“ nicht für unterstützungswürdig, weil sie nicht nur eine Aktion zur Seenotrettung gewesen sei, sondern objektiv auch als Geldquelle für Schlepper gewirkt hat. Die Schlepper hätten im vergangenen Jahr fünf Milliarden Euro mit ihrem kriminellen Treiben verdient. Hier wäre wohl anzufügen: Mangels legaler Alternativen. Die Betroffenen, die die oft gefährlichen Überfahrten überlebt haben, dürften ihren Schleppern jedenfalls überwiegend dankbar sein – mangels Alternative für einen Weg in Sicherheit. „Mare Nostrum“ kühl juristisch argumentierend als objektive Beihilfe zum Schlepperwesen zu werten, ist der blanke Zynismus. Das „Schlepperwesen“ war in der noch nicht lange zurückliegenden deutschen Vergangenheit als „Fluchthilfe“ aus der DDR und aus Ostblockländern ein edles Gewerbe. Die Zahlung von Schleuserlöhnen wurde bis hinauf zum Bundesgerichtshof als der edlen und auch finanziell aufwändigen Sache angemessen gewertet.
Was hat die EU zu bieten laut de Maizière: „Die EU hat beschlossen, massiv mit den Herkunfts- und Transitländern zusammenzuarbeiten.“ Genau, man muss mit den Verfolgerstaaten zusammenarbeiten, wie man das schon früher, Beispiel Syrien, getan hat und den Transitländern mit Zuckerbrot und Peitsche schmackhaft machen, zu Daueraufenthaltsländern für Flüchtlinge zu werden. Und dann wird auch noch die alte Kamelle aus der Ära von Tony Blair und Otto Schily aufgefahren – die Willkommenszentren in nordafrikanischen Staaten. Die würden dann von der EU finanziert, so de Maizière, und vielleicht auch von UNHCR geführt. Die edlen Europäer würden von dort Bürgerkriegsflüchtlinge schnell aufnehmen, was keiner glauben wird, der bei Trost ist und die Fluchtverhinderungspraktiken auch gegen Flüchtlinge aus Syrien mitverfolgt. Diese noblen Ankündigungen des Bundesinnenministers gelten nicht für diejenigen, denen man nach einer irgendwie gearteten Pseudoasylvorprüfung keine Chancen geben will. Denen könnte man erklären, welche falschen Versprechen ihnen die Schlepper machen, welche Risiken sie eingehen. Flüchtlinge werden auf diese Weise zu Idioten erklärt, die ihre Risiken allesamt nicht einschätzen können und die irgendwelchen eloquenten Schleusern zum Opfer fallen, die ihnen im Rahmen eines Haustürgeschäftes falsche Versprechungen machen. Flüchtlinge wissen in der Regel, dass sie große Risiken eingehen. Und sie tun es – mangels Alternative. Das weiß der Bundesinnenminister und malt trotzdem das Schlachtengemälde des Kampfes gegen die Schleusermafia ohne Differenzierung weiter. Dass ein Großteil der Fluchthilfeaktivitäten aus familiärem Verantwortungsgefühl für die zurückgebliebenen im Umfeld erbracht wird und die meisten derer, die unter der Beschuldigung, Schleuser zu sein, inhaftiert und schließlich verurteilt werden, eher kleine Lichter sind, wen schert es? Der Journalist Stefan Buchen hat in seinem Buch „Die neuen Staatsfeinde“ diese Kriminalisierungsprozesse ebenso beschrieben wie die seit Jahren stattfindende mediale und juristische Dramatisierung der zugrundeliegenden Taten.