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Bahnbrechender Beschluss zur Leistungshöhe im Asylbewerberleistungsgesetz
Das Sozialgericht Mannheim hat am 10. August einem Eilantrag stattgegeben, der einem alleinstehenden Bezieher von Asylbewerberleistungen zusätzlich zu den bereits nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz gewährten Leistungen weitere 65,51 Euro monatlich zuspricht. Es handelt sich um den ersten Beschluss dieser Art, den Rechtsanwalt Berthold Münch in einer Pressemitteilung in seiner Bedeutung kommentiert hat. Er macht deutlich, dass auch Asylbewerber ein Recht auf Sicherung ihres Existenzminimums haben, das durch die aktuellen gesetzlichen Regelungen massiv unterschritten wird. Das Gericht hat den Hartz-IV-Regelsatz zugrunde gelegt, den Anteil für die in der Gemeinschaftsunterkunft bereit gestellten Kosten für Haushalt und Energie herausgerechnet und dem Kläger vorerst die Hälfte der verbleibenden Differenz zwischen Asylbewerberleistungsgesetz und Hartz IV zugesprochen.
Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin, Experte für das Asylbewerberleistungsgesetz, weist darauf hin, dass auch anderswo bei Leistungsbezug nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz Widersprüche gegen die Leistungshöhe und Eilanträge beim Sozialgericht zu überlegen sind. Obwohl seit Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes im November 1993 die Preise um 32 % gestiegen sind, wurden die Beträge entgegen der im Gesetz selbst vorgetragenen Regelung nie an die Preisentwicklung angepasst.
Die Bundesregierung verschleppt systematisch die überfällige Anpassung der Leistungssätze, die sie selbst inzwischen als verfassungswidrig ansieht. Mit einem Schreiben vom 13. August 2010 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine weitere –völlig überflüssige – Phase der Evaluierung eingeleitet. Neben Experten, von denen sich die meisten längst im Rahmen von Anhörungen usw. geäußert haben, fragt man jetzt die zuständigen Ministerien und Senatsverwaltungen an, deren Beiträge dann nach einer Auswertung den gesetzgebenden Körperschaften zur Verfügung gestellt werden. Die Experten und Verbände hatten sich auf Aufforderung des BMAS bereits bis November 2010 zum Thema geäußert.
Es ist völlig inakzeptabel, dass das BMAS nach Monaten des Nichtstuns jetzt Pseudoaktivitäten entfaltet, indem es auch das Bundesverfassungsgericht monatelang auf eine Stellungnahme zu einem Vorlagebeschluss des Landessozialgerichts NRW zur Verfassungswidrigkeit der Asylbewerberleistungen für Kinder hat warten lassen. Es sei jetzt nicht Aufgabe der Länder, den festgestellten verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, so Georg Classen. Das BMAS muss den Leistungsbedarf selbst verfassungskonform ermitteln und ein Gesetzgebungsverfahren einleiten. Vermutlich erhofft man sich noch einige verzögernde Querschüsse aus den Ländern. Bis Ende 2011 will man mit den Ländern erst einmal folgenlos kommunizieren. PRO ASYL unterstützt Bemühungen, die Meinungsbildung durch Klagen zur Leistungshöhe voranzubringen. Für die taz hat Christian Jakob den Sachstand unter der Überschrift „Asylbewerber gehen leer aus“ am 10 August 2011 zusammengefasst.