Update: Der Kabinettsentwurf zum GEAS-Anpassungsgesetz wurde mittlerweile hier veröffentlicht.
Mit dem GEAS-Anpassungsgesetz, das heute im Kabinett beschlossen werden soll, möchte die Bundesregierung eine neue Form von zum Teil geschlossenen Zentren einführen: Sogenannte Dublin-Fälle und in anderen Mitgliedstaaten Anerkannte sollen dort untergebracht werden und in vielen Fällen die Einrichtungen nicht verlassen dürfen. Auch Familien mit Kindern sollen in diesen Zentren leben. PRO ASYL warnt davor, dass so reihenweise Geflüchtete in Deutschland de facto inhaftiert werden würden.
„PRO ASYL hat die Reform des Europäischen Asylsystems stets als Gefahr für den Flüchtlingsschutz kritisiert, vor allem wegen der geplanten Haftzentren an den Außengrenzen – und jetzt droht dies mit der geplanten harten Umsetzung auch in Deutschland“, befürchtet Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.
Als eine neue und eigentlich von der GEAS-Reform unabhängige Maßnahme sollen laut dem Entwurf „Aufnahmeeinrichtungen zur Durchführung von Verfahren der Sekundärmigration“ eingeführt werden – praktisch geht es hier um zumindest zum Teil geschlossene Zentren, in denen sich eine Vielzahl der in Deutschland ankommenden Schutzsuchenden aufhalten müssten. Das problematische Konzept der Dublin-Zentren soll damit ausgeweitet werden.
„Geflüchtete in Sonder-Einrichtungen zu isolieren und auszugrenzen ist unverantwortlich und verursacht bei den Betroffenen Verzweiflung, Stress und Depressionen. Das zeigt sich schon jetzt im Dublin-Zentrum Eisenhüttenstadt, wo Betroffene sich in ihrer Verzweiflung mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt haben. Die Bundesregierung muss von diesen Plänen Abstand nehmen. Insbesondere darf es nicht zu einer massenhaften De-Facto-Inhaftierung von Geflüchteten kommen“, fordert Judith.
Schon jetzt dürfen die im Dublin-Zentrum Eisenhüttenstadt untergebrachten Menschen die Einrichtung nachts nicht verlassen (sogenannte Nachtzeitverfügung). Einige der dort lebenden Menschen wandten sich im Juni 2025 mit einem offenen Brief hilfesuchend an die Öffentlichkeit und beschrieben, wie diese und weitere Einschränkungen sie massiv belasten. Ähnliche Einschränkungen sollen auch in den neuen Zentren gelten, in bestimmten Fällen soll sogar jegliches Verlassen der Unterkunft verboten werden – womit die Betroffenen de facto inhaftiert werden.
Mehr Inhaftierung – auch von Kindern
Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) muss bis Mitte Juni 2026 in Deutschland umgesetzt und das nationale Recht entsprechend angepasst werden. PRO ASYL kritisiert, dass die Bundesregierung offensichtlich statt einer möglichst menschenrechtsfreundlichen eine harte Umsetzung der Reform anstrebt. Der Gesetzentwurf, der heute im Kabinett zur Beratung liegt, setzt auf eine starke Ausweitung von Maßnahmen zur Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentziehung.
So sollen mit dem GEAS-Umsetzungsgesetz eine neue Asylverfahrenshaft eingeführt werden und eine „Schutzhaft“ für unbegleitete Kinder ermöglicht werden. Zwar soll der Grundsatz gelten, dass Kinder nicht in Haft genommen werden sollen. Doch begleitete Minderjährige können in Haft genommen werden, wenn sich der Elternteil oder die primäre Betreuungsperson in Haft befinden. Unbegleitete Minderjährige dürfen zu ihrem „eigenen Schutz“ inhaftiert werden. In beiden Fällen soll die Inhaftnahme ihrem Wohl dienen und nur als letztes Mittel angewendet werden.
„Kinder schützt man nicht, indem man sie einsperrt. Es ist gruselig, dass eine solche Norm ins deutsche Gesetz geschrieben werden soll. Weder ist dies durch die GEAS-Reform geboten noch in der Praxis nötig. Auch nach der UN-Kinderrechtskonvention ist ganz klar: Geflüchtete Kinder sollten nie inhaftiert werden“, kommentiert Judith.
Ausweitung deutscher Flughafenasylverfahren
Neben den neuen zum Teil geschlossenen Zentren möchte die Bundesregierung direkt mit Verabschiedung des Gesetzes eine weitere Maßnahme in Kraft setzen: eine Ausweitung der deutschen Flughafenasylverfahren, um die neuen Grenzverfahren zu erproben. Diese Verfahren unter besonders restriktiven Bedingungen sollen dann auch Flüchtlinge durchlaufen, die in anderen Mitgliedstaaten anerkannt wurden.
„Anerkannte Flüchtlinge dürfen legal innerhalb der EU reisen und kommen, wenn sie fliegen, in der Regel aus einem anderen Mitgliedstaat an deutschen Flughäfen an – also gerade nicht über eine EU-Außengrenze. Damit können sie auch nicht in ein Außengrenzverfahren genommen werden. Wenn in anderen Mitgliedstaaten anerkannte Flüchtlinge nach Deutschland kommen, um hier erneut Schutz zu suchen, liegt das meist an den dort oft sehr schlechten Lebensbedingungen. Das Flughafenverfahren ist in jedem Fall nicht die richtige Antwort auf dieses Phänomen. Die Bundesregierung sollte sich stattdessen für die Verbesserung der Lebensumstände von Flüchtlingen in allen Mitgliedstaaten stark machen“, fordert Judith.
PRO ASYL hatte im Rahmen der Verbändeanhörung den Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums kommentiert. Während des Ressortverfahrens kommt es meist noch zu Änderungen des Gesetzesentwurfs, der dann im Kabinett beschlossen wird. Die endgültige Fassung ist bisher noch nicht öffentlich.