14.07.2025

PRO ASYL und die Flücht­lings­rä­te der Län­der for­dern die Bun­des­re­gie­rung auf, jeg­li­che wei­te­re direk­te oder indi­rek­te Gesprä­che mit der afgha­ni­schen Regie­rung sofort ein­zu­stel­len und einen förm­li­chen Abschie­bungs­stopp für das Land Afgha­ni­stan zu verhängen.

Obwohl in Afgha­ni­stan die Tali­ban seit fast vier Jah­ren mit eiser­ner Hand ihre eige­ne Bevöl­ke­rung unter­drü­cken, will die deut­sche Bun­des­re­gie­rung den Kon­takt zu ihnen suchen, um Abschie­bun­gen in das Land zu ermöglichen.

„Der Haft­be­fehl des Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hofs wirft ein Schlag­licht dar­auf, was in Afgha­ni­stan täg­lich pas­siert und was die Bun­des­re­gie­rung igno­rie­ren will: Schwer­wie­gen­de Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit. Abschie­bun­gen in ein Land, in dem Frau­en aus der Öffent­lich­keit ver­bannt sind und in dem es zu öffent­li­chen Aus­peit­schun­gen und Hin­rich­tun­gen kommt, sind ein­deu­tig völ­ker­rechts­wid­rig“, so Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL.

„Die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on sichert allen Men­schen, die sich in Euro­pa auf­hal­ten, das Recht auf eine men­schen­wür­di­ge Behand­lung zu. Nie­mand darf in ein Land abge­scho­ben wer­den, deren obers­te Reprä­sen­tan­ten wegen ‚Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit´ vor dem Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof (IstGH) ange­klagt sind. Jeg­li­cher Kon­takt mit den Tali­ban ist für sie ein wei­te­rer Schritt in Rich­tung inter­na­tio­na­le Aner­ken­nung“, mahnt Kai Weber vom Flücht­lings­rat Niedersachsen.

Hin­ter­grund

Der Inter­na­tio­na­le Straf­ge­richts­hof (IStGH) in Den Haag hat am 08.07.2025 Haft­be­feh­le gegen Tali­ban-Chef Heba­tul­lah Achundsa­da und den Obers­ten Rich­ter und Jus­tiz­mi­nis­ter des Regimes, Abdul Hakim Hak­ka­ni, erlas­sen. Es lägen „hin­rei­chen­de Ver­dachts­mo­men­te“ vor, dass bei­de per­sön­lich für „Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit“ in Afgha­ni­stan ver­ant­wort­lich seien.

Nicht erst die Haft­be­feh­le des Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof tru­gen der Gewalt­herr­schaft der Tali­ban Rech­nung, auch das Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­hofs vom 04.10.2024 bestä­tig­te, dass die Tali­ban Frau­en* sys­te­ma­tisch ver­fol­gen – ihre Situa­ti­on hat sich seit­her nicht ver­bes­sert, son­dern wei­ter ver­schlech­tert. Es darf auf kei­nen Fall eine kon­su­la­ri­sche oder diplo­ma­ti­sche Aner­ken­nung für die Tali­ban geben, auch nicht, um Straftäter*innen abzuschieben.

Die Bun­des­re­gie­rung hat in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag vor­ge­se­hen, Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan – begin­nend mit Straf­tä­tern – for­cie­ren zu wol­len. Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan wür­den jedoch gegen Arti­kel 3 der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (Ver­bot von Fol­ter und unmensch­li­cher Behand­lung) ver­sto­ßen. Das Fol­ter­ver­bot ist abso­lut und umfasst auch Straftäter*innen (sie­he hier für wei­te­re Aus­füh­run­gen).

Nach der­zeit vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen plant die Bun­des­re­gie­rung erneut eine Abschie­bung in Zusam­men­ar­beit mit den Behör­den in Katar. Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Dob­rindt for­dert gar direk­te Ver­hand­lun­gen mit den Tali­ban. Aber auch eine über Ban­de orga­ni­sier­te Abschie­bung ist nicht ohne Koope­ra­ti­on mit dem isla­mis­ti­schen Regime der Tali­ban möglich.

Afgha­ni­stan ist über­dies von Armut, Hun­ger und Ver­trei­bung gezeich­net. 2024 benö­tig­ten laut UN fast 24 Mio. Men­schen huma­ni­tä­re Hil­fe. 12 Mio. waren von Ernäh­rungs­un­si­cher­heit betrof­fen, fast 3 Mio. Kin­der unter­ernährt (Amnes­ty Report 2024/25). Auf­grund der Ein­stel­lung ame­ri­ka­ni­scher Hilfs­gel­der sind vie­le Hilfs­pro­gram­me in Afgha­ni­stan dras­tisch unter­fi­nan­ziert, zum Bei­spiel müs­sen hun­der­te Gesund­heits­klin­ken schlie­ßen. Die huma­ni­tä­re Kata­stro­phe droht sich noch aus­zu­wei­ten, da Paki­stan und Iran im ver­gan­ge­nen Jahr ca. 1.5 Mil­lio­nen Men­schen nach Afgha­ni­stan abge­scho­ben haben und auch aktu­ell ver­stärkt abschieben.

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