Heute wird im Bundestag in erster Lesung über den Gesetzentwurf „zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten durch Rechtsverordnung und Abschaffung des anwaltlichen Vertreters bei Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam” diskutiert. PRO ASYL lehnt den Gesetzentwurf insgesamt ab.
Heute berät der Bundestag erstmals über einen Gesetzentwurf, der es der Bundesregierung ermöglichen soll, neue „sichere Herkunftsstaaten“ per Verordnung – also ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat – festzulegen. Gleichzeitig soll die verpflichtende anwaltliche Vertretung in Abschiebungshaftverfahren abgeschafft werden. PRO ASYL warnt: Der Gesetzentwurf schwächt parlamentarische Kontrolle und verschärft bestehende rechtsstaatliche Defizite.
Zu den sicheren Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung
“Wenn heute im Bundestag über die Bestimmung von angeblich sicheren Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung der Regierung diskutiert wird, dann sollten sich alle Parlamentarier*innen klar machen: Es geht um nicht weniger als das verfassungsrechtlich garantierte Mitspracherecht von Bundestag und Bundesrat, das hier zur Disposition steht. Eine angebliche Umsetzung europäischen Rechts wird hier vorgeschobenen, um sich eines unliebsamen politischen und vor allem demokratischen Prozesses zu entledigen. Das ist mehr als besorgniserregend”, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.
Artikel 16a GG verlangt für die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten ein Gesetz mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. EU-Recht schreibt hingegen nur Mindeststandards vor, überlässt aber den Mitgliedstaaten das Verfahren zur Festlegung. Diese nationale Umsetzung muss selbstverständlich verfassungsgemäß erfolgen – mit parlamentarischer Beteiligung und öffentlichem Diskurs. PRO ASYL lehnt das Konzept sicherer Herkunftsstaaten grundsätzlich ab, da es fairen Asylverfahren entgegensteht.
Zur Abschaffung des/der Pflichtanwält*in in der Abschiebehaft
Erst vor rund einem Jahr wurde per Gesetz eingeführt, dass jeder Person in der Abschiebehaft stets von staatlicher Seite ein Anwalt/eine Anwältin gestellt werden muss – vergleichbar also mit dem Strafrecht, wo dies ein unumstößliches Prinzip ist. Denn wenn der Staat einer Person die Freiheit entzieht, muss diese die effektive Möglichkeit haben, dies gerichtlich überprüfen zu lassen. Was so einfach klingt hat auch mit einem handfesten rechtsstaatlichen Skandal zu tun: Rund die Hälfte aller Personen sind laut Statistiken von Anwält*innen zu Unrecht in Abschiebungshaft.
“Einerseits schreibt die neue Bundesregierung es sich auf die Fahne, zukünftig mehr Menschen in Abschiebehaft nehmen zu wollen – durch den Ausbau von Haftkapazitäten und neue fragwürdige Konstrukte wie einen dauerhaften Ausreisearrest. Wenn sie nun verhindern will, dass jeder Person dann wenigstens ein Anwalt oder eine Anwältin zur Seite gestellt wird, wird deutlich, worum es wirklich geht: die betroffenen Menschen möglichst rechtlos zu stellen”, kritisiert Wiebke Judith.
PRO ASYL fordert den Erhalt und die Verbesserung der gesetzlichen Bestimmung zum/zur Pflichtanwalt/Pflichtanwältin in der Abschiebungshaft. Die Abschaffung der Regelung sendet dagegen ein fatales Signal bezüglich der Rechte von nach Deutschland geflüchteten Menschen.