Zum Internationalen Tag der Familie kritisiert PRO ASYL die im Koalitionsvertrag angekündigte Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Statt Menschen das Recht auf Familie zu berauben, braucht es dringend Maßnahmen, um die zu langen Wartezeiten für Familiennachzugsverfahren an den deutschen Botschaften zu verkürzen.
Tausende Frauen, Männer und Kinder in Deutschland leiden unter zerrissenen Familienstrukturen. Das aktuelle Vorhaben im Koalitionsvertrag, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auszusetzen, verschlimmert ihre Situation:
„Das Vorhaben der Bundesregierung verletzt das Grundrecht auf Familie für tausende in Deutschland schutzberechtigte Menschen“, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL. „Es führt zu dauerhaft zerrissenen Familienstrukturen und behindert Integration. Insbesondere Frauen und Kinder werden so verstärkt auf lebensgefährliche Fluchtrouten gezwungen. Schon jetzt sind Familien oft jahrelang getrennt, weil etwa die Wartezeiten an den deutschen Auslandsvertretungen immens hoch sind“, führt Alaows weiter aus.
Dabei droht subsidiär Geschützten genauso wie Flüchtlingen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind, in ihrem Herkunftsland Gefahr für Leib und Leben. Auch ihnen ist das Zusammenleben als Familie im Herkunftsland in der Regel nicht möglich. Auch sie haben ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland. Trotzdem will ihnen die Bundesregierung das Recht auf ein Familienleben weitgehend nehmen. Die Ankündigung, dass Härtefälle von der Maßnahme unberührt bleiben, mildert das nicht ab, denn die aktuelle Praxis zeigt, dass kaum jemand von der Härtefallregelung profitiert.
Bereits jetzt schleppende Familiennachzugsverfahren
Herr A., Syrer mit subsidiärem Schutz und in der Beratung bei PRO ASYL, ist verzweifelt: „Was die deutsche Regierung will, bedeutet, dass die Hälfte meines Herzens bei meiner Familie auf der anderen Seite bleibt, in einem Land, in das ich nicht zurückkehren kann und aus dem meine Lieben nicht entkommen können.“ Seine Frau und drei Kinder warten bereits seit über zwei Jahren auf einen Termin bei der deutschen Botschaft in Erbil zur Antragsstellung für den Familiennachzug. Auch in Beirut, wo die allermeisten Syrer*innen ihre Anträge stellen, beträgt die Wartezeit zurzeit rund zwei Jahre.
Bei den meisten deutschen Auslandsvertretungen betragen die Wartezeiten zur Visumantragstellung für einen Familiennachzug weit über ein Jahr – auch zu Geflüchteten mit einer Flüchtlingsanerkennung. Für afghanische Schutzsuchende ist die Situation besonders schwierig. Die deutsche Botschaft in Kabul ist seit Mai 2017 geschlossen, die Menschen müssen seitdem auf die Botschaften in Pakistan oder Iran ausweichen. Dort beträgt die Wartezeit für sie mindestens ein Jahr (Islamabad) und bis zu zweieinhalb Jahre (Teheran). Diesem nur ersten Schritt der Antragsstellung folgen lange Wartezeiten bei der Bearbeitung des Antrags. In dieser Zeit werden Kinder ohne Elternteile groß, Menschen in Einsamkeit und Sorge krank und im Heimatland Wartende harren in oft prekären bis gefährlichen Situationen aus.
„Es braucht dringend mehr Bearbeitungskapazitäten in den deutschen Botschaften und die Möglichkeit, Visumsanträge digital zu stellen. Ebenso sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Visumsanträge auch in Deutschland zu bearbeiten“, fordert Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.
Aufruf zum Internationalen Tag der Familie: Familien gehören zusammen!
PRO ASYL, terre des hommes, Save the Children und International Rescue Committee veröffentlichen heute mit vielen weiteren Organisationen einen gemeinsamen Aufruf. Darin fordern sie, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten zu erhalten, die Verfahren beim Familiennachzug zu verbessern, minderjährige Geschwister nicht zurückzulassen sowie besonders schutzbedürftige Familien besser zu schützen. Der gesamte Aufruf ist hier abrufbar.