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Bundestagsdebatte über Aufnahme syrischer Flüchtlinge
Eine Bundestagsdebatte über den Antrag der SPD „Syrische Flüchtlinge schützen“ (BT-Drucksache 17/12820) am 21. März 2013 geriet demnach überwiegend zur Nachdiskussion, bei der die Regierung zumindest zum Teil davon ausgehen konnte, dass die Inhalte des SPD-Antrags überholt seien. Der vorangegangenen Kritik am Bundesinnenminister setzte etwa der Abgeordnete Reinhard Grindel (CDU/CSU) eine ausführliche Beweihräucherung für seine großherzige humanitäre Geste entgegen. Dass man so spät auf den Aufnahmebeschluss gekommen sei, erkläre sich aus dem Verhalten des UN-Flüchtlingskommissars und der tatsächlichen Lage vor Ort. Man habe nicht deshalb bisher keine Aufnahme von Syrern beschlossen, weil man humanitär hartherzig gewesen wäre, sondern weil man sich an UNHCR-Erklärungen orientiert habe. Grindel zieht auch sehr viel deutlicher, als dies von Seiten der Bundesregierung zuvor in der Öffentlichkeit getan wurde, die Christenkarte. Er zählt Christen zu den besonders Schutzbedürftigen, was möglicherweise mit dem Blick auf die langfristige Perspektive einer Rückkehr nach Syrien denkbar sein dürfte, den aktuellen Realitäten Syriens, aus dem täglich etwa 8.000 Menschen über die Grenzen fliehen, die ein Bündel guter Gründe haben, kaum entspricht. Abgeordneter Grindel formuliert: „Eine solche Entwicklung kann man leider auch langfristig in Syrien nicht ausschließen, sondern sie ist sogar leider eher wahrscheinlich.“ Bei einem Adhoc-Aufnahmeprogramm allerdings sollte es um die kurzfristige Aufnahme besonders Schutzbedürftiger gehen – unabhängig von der Religionsgemeinschaft, Weltanschauung usw. Was Grindel wirklich will, offenbart er wenige Sätze später. Dieses Vorgehen sei integrationspolitisch sinnvoll, weil man davon ausgehen könne, dass sich diese Familien christlichen Glaubens sehr schnell in unsere Gesellschaft eingliedern und zu Recht finden würden. Die Botschaft: das christliche Abendland integriert gern Christen, was es mit den Muslimen am Hut hat, bleibt unausgesprochen. Ärgerlich darüber hinaus auch der Verweis auf die angebliche Großzügigkeit Deutschlands im Umgang mit Asylantragstellern aus Syrien. Deutschland habe in der Vergangenheit „einer Vielzahl von Syrern Schutz geboten“, so Grindel. Richtig zu stellen wäre: wem es gelungen ist, sich aus Syrien auf abenteuerlichen Wegen in die Bundesrepublik durchzuschlagen, der wird inzwischen nicht abgeschoben oder er erhält subsidiären Schutz – nach Jahren der Tatenlosigkeit zuvor, in denen man auch potentiell verfolgte Syrerinnen und Syrer dem Regime ans Messer geliefert hatte. Man habe darüber hinaus weitere Maßnahmen ergriffen, um die Einreise syrischer Staatsangehöriger zu erleichtern, so Grindel weiter. Syrische Staatsangehörige bräuchten beim Ehegattennachzug vorab keinen Nachweis deutscher Sprachkenntnisse. Angesichts solcher Großherzigkeiten fehlt es allen Aussagen der Bundesregierung und dem im Bundestag debattierten Antrag der SPD an einer Antwort auf die Frage, wie Flüchtlingen mit Familienangehörigen in Deutschland die Einreise erleichtert werden könnte. Hartfrid Wolff von der FDP fiel in der Debatte ein ganz neues Argument ein, wieso das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen, abgeschlossen mit einem notorischen Folterregime, immer noch nicht gekündigt ist. „Die Kündigung des Abkommens könnte auch so verstanden werden, dass wir nicht mehr an einen baldigen Frieden in Syrien glauben. Wir sollten, meine ich, alles vermeiden, was als Zeichen der Hoffnungslosigkeit gedeutet werden könnte.“ Da hat die FDP gerade beim Thema Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge eine positive Rolle gespielt, und dann dieses Wolkenkuckucksheim des Abgeordneten aus dem Rems-Murr-Kreis. Recht allerdings hat er mit einer historischen Frage: „Hat die SPD noch in Erinnerung, wer für den Abschluss verantwortlich war? Das war die SPD.“ Wolffs Begründung konkurriert mit der des Abgeordneten Michael Frieser (in der Bundestagsdebatte vom 26. Januar 2012, der das Abkommen mit folgenden Worten verteidigte: „Im Grunde verpflichten wir das Assad-Regime nach wie vor, an einem völkerrechtlichen Vertrag festzuhalten. Denn wenn wir Staaten, die sich in dieser Art und Weise verhalten, auch noch aus ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen entlassen, dann entbinden wir sie ja jeglicher Verpflichtung.“ Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich das Assad-Regime schon seit langem an keine völkerrechtlichen Verpflichtungen gebunden. Von 73 zwischen Januar 2009 und Juni 2010 aus Deutschland abgeschobenen Flüchtlingen wurden 14 nach Angaben der Bundesregierung selbst von den syrischen Behörden inhaftiert.