05.04.2021

PRO ASYL for­dert, dass die regel­mä­ßi­gen Sam­mel­ab­schie­bun­gen nach Afgha­ni­stan ange­sichts der ver­hee­ren­den Sicher­heits­la­ge, der gesund­heit­li­chen Risi­ken durch die Covid-19-Pan­de­mie sowie der durch die­se noch ein­mal ver­schärf­ten kata­stro­pha­len wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se end­lich been­det werden.

Seit dem Beginn der Sam­mel­ab­schie­bun­gen nach Afgha­ni­stan im Dezem­ber 2016 waren von die­sen ins­ge­samt 1015 Men­schen betrof­fen. 107 Men­schen wur­den allein in die­sem Jahr aus Deutsch­land nach Afgha­ni­stan abge­scho­ben. Monat für Monat wird – unbe­irrt von der Covid-19-Pan­de­mie und ihren gra­vie­ren­den Aus­wir­kun­gen – ein Char­ter­flug­zeug mit ver­zwei­fel­ten jun­gen Män­nern in das seit Jahr­zehn­ten von bewaff­ne­ten Kon­flik­ten ver­sehr­te Land geschickt. Am 07.04.2021 droht bereits die vier­te Sam­mel­ab­schie­bung nach Afgha­ni­stan in 2021, dies­mal vom Flug­ha­fen Berlin-Schönefeld.

Dies, obwohl sich die ohne­hin desas­trö­se Sicher­heits­la­ge in Afgha­ni­stan in jüngs­ter Zeit ver­schärft hat. Am 12 März 2021 hat der UN-Gene­ral­se­kre­tär dem Welt­si­cher­heits­tag sei­nen peri­odi­schen Bericht zur Sicher­heits­la­ge in Afgha­ni­stan vor­ge­legt. Dar­aus geht her­vor, dass sich die­se im Jahr 2020 gegen­über 2019 erneut ver­schlech­tert hat. Mit 25.180 sicher­heits­re­le­van­ten Vor­fäl­len – dem höchs­ten Wert, seit die UNO die­sen Wert erhebt – ist ein Anstieg von 10 Pro­zent gegen­über dem Vor­jahr mit 22.832 Vor­fäl­len zu ver­zeich­nen. Wei­ter heißt es in dem Bericht: » Die Zahl der bewaff­ne­ten Zusam­men­stö­ße stieg von 13.155 im Jahr 2019 um 18,4 Pro­zent auf 15.581 im Jahr 2020. Dar­über hin­aus stieg die Zahl der durch impro­vi­sier­te Spreng­kör­per (IEDs) ver­ur­sach­ten Deto­na­tio­nen von 1.949 im Jahr 2019 um 32 Pro­zent auf 2.572 im Jahr 2020 und die Zahl der geziel­ten Mord­an­schlä­ge um 27 Pro­zent von 782 im Jahr 2019 auf 993 im Jahr 2020«. Laut einem UNAMA-Report vom Febru­ar die­ses Jah­res hat die Gewalt in sämt­li­chen Regio­nen Afgha­ni­stans Ende 2020 sogar noch ein­mal zuge­nom­men. Und die US-ame­ri­ka­ni­sche Denk­fa­brik Coun­cil on For­eign Rela­ti­ons rech­net im Zusam­men­hang mit dem zwi­schen den Tali­ban und den USA im Febru­ar 2020 aus­ge­han­del­ten Trup­pen­ab­zug  und den damit ver­bun­de­nen Unwäg­bar­kei­ten  im Jahr 2021 mit einer wei­te­ren Ver­schär­fung der Sicherheitslage.

Man­che (Ober-)Verwaltungsgerichte spre­chen aktu­ell Abschie­bungs­ver­bo­te für poten­ti­ell Betrof­fe­ne aus. Bei­spiels­wei­se hat im Dezem­ber 2020 der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg auf Grund der ver­hee­ren­den wirt­schaft­li­chen Fol­gen der Covid-19-Pan­de­mie in Afgha­ni­stan sei­ne Recht­spre­chung in Bezug auf Abschie­bungs­ver­bo­te für jun­ge allein­ste­hen­de jun­ge Män­ner nach § 60 Abs. 5 Auf­enthG i.V.m. Art. 3 EMRK modi­fi­ziert. Galt zuvor, dass bei die­ser Per­so­nen­grup­pe »beson­de­re, indi­vi­du­ell erschwe­ren­de Umstän­de« hin­zu­kom­men muss­ten, um ein Abschie­bungs­ver­bot aus­spre­chen zu kön­nen, gilt jetzt umge­kehrt, dass die hohen Anfor­de­run­gen des Abschie­bungs­ver­bots regel­mä­ßig erfüllt sind, wenn »kei­ne beson­de­ren begüns­ti­gen­den Umstän­de« vor­lie­gen. Sol­che könn­ten zum Bei­spiel ein hin­rei­chend trag­fä­hi­ges fami­liä­res oder sozia­les Netz­werk sein, nach­hal­ti­ge finan­zi­el­le oder mate­ri­el­le Unter­stüt­zung durch Drit­te oder ein aus­rei­chen­des vor­han­de­nes Ver­mö­gen. Der VGH Baden-Würt­tem­berg geht davon aus, dass selbst eine beson­de­re Belast­bar­keit, Durch­set­zungs­fä­hig­keit oder fach­li­che Qua­li­fi­ka­tio­nen ohne die genann­ten begüns­ti­gen­den Umstän­de Betrof­fe­ne nicht in die Lage ver­set­zen wür­den, in Afgha­ni­stan ihren Lebens­un­ter­halt »zumin­dest am Ran­de des Exis­tenz­mi­ni­mums nach­hal­tig zu sichern«. Er stützt sich dabei auf ein Gut­ach­ten von Eva-Catha­ri­na Schwö­rer, in wel­chem die­se zu dem Schluss kam: »Für abge­scho­be­ne Afgha­nen aus Euro­pa war es bereits vor COVID-19 ohne finan­zi­el­le Hil­fen sehr schwer, in Afgha­ni­stan ihren Lebens­un­ter­halt auf lega­le Wei­se zu bestrei­ten. Mitt­ler­wei­le grenzt dies an Unmög­lich­keit«. Vie­le der von den monat­li­chen Sam­mel­ab­schie­bun­gen Betrof­fe­nen befin­den sich in einer ent­spre­chen­den Situa­ti­on, da sie in Afgha­ni­stan nicht über ein unter­stüt­zungs­be­rei­tes und –fähi­ges  fami­liä­res oder sozia­les Netz­werk oder über finan­zi­el­le Res­sour­cen verfügen.

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