Fachnewsletter
Neue Schätzung: Mindestens 23.000 tote Flüchtlinge seit dem Jahr 2000
Ein neues, journalistisches Datenbankprojekt will eine zuverlässige Statistik über die Zahl der Todesopfer des europäischen Grenzregimes schaffen. Die aktuelle Zahl übersteigt bisherige Schätzungen um mehrere Tausend. Das Projekt „The Migrant Files“ macht sichtbar: Flüchtlinge sterben auch im Einsatzgebiet europäischer Grenzschützer. Mit der Datenbank versucht eine Arbeitsgruppe europäischer Journalistinnen und Journalisten, eine Lücke zu füllen. Denn weder die Behörden der europäischen Mitgliedstaaten noch Frontex erheben Statistiken über die Todesfälle an Europas Außengrenzen.
Auch der italienische Journalist Gabriele del Grande veröffentlicht bereits seit Jahren auf Medienberichten basierende Schätzungen auf dem Blog „Fortress Europe“. Von ihm stammt auch die Zahl der 19.000 Toten seit 1988. Del Grande wie das in Amsterdam ansässige Netzwerk UNITED for Intercultural Action beziehen offenbar im Unterschied zu UNHCR auch Tote beim Durchqueren der Sahara ein. Alle Schätzungen gehen davon aus, dass die eigentliche Zahl der Toten weitaus höher liegt. Das neue Projekt führt nun die Auswertungen von United for Intercultural Action, jene Del Grandes und Projektdaten der Europäischen Kommission im Datenbankprojekt „The Migrant’s Files“ zusammen und analysiert laufend die Berichterstattung über Todesfälle und Vermisstenmeldungen. Mittels einer durchgehenden Erhebungssystematik, Datenbereinigungen und Gegenchecks wollen die Journalisten eine möglichst zuverlässige Statistik über tote Flüchtlinge zu schaffen. Die Neue Zürcher Zeitung, die an dem Projekt beteiligt ist, nennt die Zahl von 23.000 Toten und Vermissten allein für den Zeitraum ab 1. Januar 2000 – die Zahl liegt um 70 Prozent höher als von Del Grande für den gleichen Zeitraum ermittelt und scheint derzeit die genauste zu sein. Die Mehrzahl der toten Flüchtlinge ist ertrunken, aber Hunderte starben an Hunger oder Durst, an Kälte oder Unterkühlung, erstickten in LKWs oder beim Überqueren von Minenfeldern.
„The Migrants Files“: http://www.detective.io/detective/the-migrants-files/
NZZ: www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/die-toten-vor-europas-tueren‑1.18272891