Der Euro­päi­sche Gerichts­hof hat am 26. Febru­ar 2015 im Fall des US Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rers André She­p­herd geur­teilt, der sich dem Dienst in der Armee vor einem wei­te­ren Ein­satz im Irak ent­zo­gen hat­te und 2008 in Deutsch­land Asyl bean­trag­te. Hat­te noch der Schluss­an­trag der Gene­ral­an­wäl­tin beim EUGH im Novem­ber 2014 gro­ße Erwar­tun­gen geweckt, so hat das Urteil des EUGH jetzt zen­tra­le Grund­satz­fra­gen offen gelas­sen – und eini­ge in sehr pro­ble­ma­ti­scher Wei­se beant­wor­tet. Noch ist alles offen. Vor dem Hin­ter­grund des Urteils wird sich das Ver­wal­tungs­ge­richt Mün­chen jetzt mit André She­p­herds Falls aus­ein­an­der­zu­set­zen haben. Aber zumin­dest hat der EUGH die Posi­ti­on von Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rern im Asyl­ver­fah­ren durch die Aus­le­gung der soge­nann­ten EU-Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­nie nicht gestärkt. Der Euro­päi­sche Gerichts­hof hat kei­ne Ent­schei­dung dazu getrof­fen, wann Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rer einen asyl­recht­li­chen Schutz bean­spru­chen kön­nen. Hat­te die Gene­ral­an­wäl­tin noch deut­lich gemacht, dass ein Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rer, der sich aus Gewis­sens­grün­den einem bestimm­ten Krieg ver­wei­gert – auch ohne Pazi­fist zu sein – unter den Schutz­be­reich der Richt­li­nie fal­len kön­ne, wenn ein unüber­wind­li­cher Kon­flikt zwi­schen den Dienst­pflich­ten und sei­nem Gewis­sen besteht, so fin­det sich hier­zu im Urteil des EUGH eben­so wenig etwas wie zu den Erwä­gun­gen der Gene­ral­an­wäl­tin, Deser­teu­re könn­ten unter bestimm­ten Umstän­den Ange­hö­ri­ge einer bestimm­ten sozia­len Grup­pe im Sin­ne des Flücht­lings­rechts sein, wenn sie sie des­we­gen straf­recht­lich ver­folgt oder auf extrem dis­kri­mi­nie­ren­de Wei­se behan­delt wer­den. PRO ASYL hat sich zum The­ma in einer News und in einer Pres­se­er­klä­rung geäu­ßert und ins­be­son­de­re auch gerügt, dass der EUGH in einer Pres­se­er­klä­rung abseits der eigent­li­chen Erwä­gun­gen des Urteils aus­führt, dass im Fall bewaff­ne­ter Inter­ven­tio­nen, die vom UN-Sicher­heits­rat man­da­tiert sind, grund­sätz­lich gewähr­leis­tet sei, dass bei ihrer Durch­füh­rung kei­ne Kriegs­ver­bre­chen began­gen wer­den und dies sogar ohne UN-Man­dat gel­ten soll, wenn angeb­lich ein inter­na­tio­na­ler Kon­sens besteht. Der Gerichts­hof ver­traut also offen­bar allein auf die Rechts­sys­te­me krieg­füh­ren­der Staa­ten, nach denen sie krie­ge­ri­sche Hand­lun­gen ver­hin­dern oder wenigs­tens bestra­fen. Das vom Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rungs­netz­werk Con­nec­tion e.V. und PRO ASYL seit Jah­ren unter­stütz­te Ver­fah­ren geht wei­ter, über den Fall André She­p­herds hin­aus span­nen­der denn je. Schließ­lich steht der völ­ker­recht­li­che Cha­rak­ter des Krie­ges gegen den Irak, geführt von der berühm­ten „Koali­ti­on der Wil­li­gen“, erneut zur Debatte.

Pres­se­mit­tei­lung des EUGH: http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2015–02/cp150020de.pdf

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