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EU beschließt Programm zur Flüchtlingsbekämpfung – und Seenotrettung „light“
Nach den großen Flüchtlingskatastrophen der vergangenen Woche trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU am 23. April 2015 zu einem Sondergipfel in Brüssel. Doch schon vorab hatte die EU einen Zehn-Punkte-Plan veröffentlicht, der nichts Gutes verhieß. Die Mehrzahl der auf dem Sondergipfel beschlossenen Maßnahmen zielen, wie schon der vorab veröffentlichte Zehn-Punkte-Plan zeigte, auf Schlepperbekämpfung, Fluchtverhinderung und Abschottung Europas. Statt legale Einreisewege für Flüchtlinge zu schaffen, die Seenotrettung auszuweiten und damit das Sterben im Mittelmeer zu beenden, hat der Rat sich für eine weitere militärische Aufrüstung des Grenzregimes entschieden.
Die bisherigen Frontex-Missionen Triton und Poseidon sollen finanziell um das Dreifache gestärkt werden. Damit erhält Frontex für diese Operationen ungefähr das Budget, das der italienischen Marineoperation „Mare Nostrum“ zur Verfügung stand – rund neun Millionen Euro im Monat. Damit hatte Mare Nostrum während seiner Laufzeit rund 140.000 Menschen gerettet – bis die Operation von Bundesinnenminister Thomas De Maizière und einiger seiner Amtskollegen als „Beihilfe“ für Schleuser denunziert und schließlich auf deren Druck hin beendet wurde. Doch im Gegensatz zu Mare Nostrum sind die Frontex-Operation Triton nicht auf die Rettung von Flüchtlingen, sondern auf den Schutz der EU-Außengrenzen ausgerichtet. Dass eine umfassende Seenotrettungsoperation nicht dem Mandat von Frontex entspricht, bestätigte auch Frontex-Direktor Fabrice Leggeri gegenüber dem Guardian.
Schon der Zehn-Punkte-Plan sprach von einer militärischen Operation zur Zerstörung der Schleuserboote, vergleichbar mit dem Atalanta-Einsatz zur Bekämpfung der Piraterie vor Somalia – eine hochproblematische Entscheidung. Da die europäischen Landgrenzen durch Frontex-Operationen und nationale Grenzregime für Flüchtlinge abgeriegelt sind – etwa die bulgarisch-türkische Grenze oder die türkisch-griechische Landgrenze – , bleibt Schutzsuchenden fast nur noch der lebensgefährliche Seeweg. Die Zerstörung von Flüchtlingsbooten trifft daher nicht nur Schleuser: Zu befürchten ist, dass sie auch dazu führt, dass Flüchtlinge in Nordafrika unter menschenunwürdigen Bedingungen festsitzen oder auf neue, mitunter noch gefährlichere Routen ausweichen müssen. Der neue Beschluss erweitert die militärischen Maßnahmen der EU nun nochmals: Bestehende Militäroperationen in Mali und im Sudan sollen zur Grenzsicherung umgewidmet werden. Diese völker- und europarechtlich höchst fragwürdige Maßnahme soll Migrantinnen und Migranten bereits innerhalb der afrikanischen Transitstaaten abfangen und fernab der europäischen Öffentlichkeit daran hindern, in die EU einzureisen und dort einen Asylantrag zu stellen.
Die EU beschloss am 23. April, in den kommenden Monaten auf Malta einen gemeinsamen Gipfel mit der Afrikanischen Union und den afrikanischen Hauptherkunftsstaaten der Migrationsbewegungen durchführen. Ziel sollen Kooperationen mit afrikanischen Staaten zur Bekämpfung der Schleusernetzwerke sein, so soll die angeblich „illegale“ Migration eingedämmt werden.
Zusätzlich zu den bereits im Zehn-Punkte-Plan geplanten Sammelabschiebungen, die über Frontex organisiert werden sollen, verweist der neue Beschluss auf die Durchsetzung neuer Rückübernahmeabkommen mit den afrikanischen Staaten, die mit Entwicklungshilfe verknüpft werden sollen. Dies ist in mehrerer Hinsicht problematisch: Zum einen kann Entwicklungshilfe zur Verbesserung der Menschenrechtslage in den Herkunftsländern von Flüchtlingen oft wenig beitragen. Angesichts der Tatsache, dass der Großteil der Flüchtlinge in den letzten fünf Jahren vor bewaffneten Konflikten und schweren Menschenrechtsverletzungen floh, offenbart sich das Versprechen, durch Entwicklungshilfe die Situation in den Herkunftsländern verbessern zu wollen, als Ablenkungsmanöver von der Verantwortung Europas für den Flüchtlingsschutz.