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Bundesregierung: EU-Recht bei Visumverfahren missachtet
Sevim Dağdelen, MdB Die Linke im Bundestag, wirft der Bundesregierung in einer Pressemitteilung vom 8. April 2013 vor, bei Visumverfahren EU-Recht zu missachten. Mit der systematischen Teilprivatisierung des Visumverfahrens und der gleichzeitigen Missachtung vorgegebener Fristen zur Bearbeitung von Visumanträgen werde gegen EU-Recht verstoßen. Dabei würden den Reisenden die Mehrkosten der Privatisierung aufgebürdet. Im Hintergrund steht die Beantwortung einer kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (BT-Drucksache 17/12755) zu Visaerteilungen im Jahr 2012. In den wichtigsten Herkunftsländern habe man die Zahl der Visaanträge trotz steigender Antragszahlen reduziert oder unzureichend angepasst. Der Visakodex sehe jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Kräfte in ausreichender Anzahl einzusetzen hätten. Die EU-Kommission prüfe bereits, ob ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einzuleiten sei. Private Dienstleister sollen verstärkt Anträge gegen eine Gebühr entgegennehmen und sie an die Visastellen weiterleiten. Es müsse jedoch auch weiterhin die Möglichkeit geben, Anträge unmittelbar bei den Konsulaten einzureichen. Über die Kritik der Linken hinaus ist das Ganze ein gefährliches Teil-Outsourcing im Kern hoheitlicher Aufgaben. Man wird sehr gut hinschauen müssen, welche wirtschaftlichen Interessen sich da um deutsche Auslandsvertretungen herum aufbauen werden. Es überrascht, dass dieser korruptionsgefährdete Bereich auf diese Weise externalisiert wird. Immerhin war die Visumerteilungspraxis deutscher Auslandsvertretungen Gegenstand eines Bundestagsuntersuchungsausschusses, der seinen Bericht im Sommer 2005 vorlegte. Über dem politischen Jagdeifer auf den für Missstände bei der Visumerteilung damals verantwortlichen Fachminister Joschka Fischer blieb in der Öffentlichkeit das vom Ausschuss ermittelte Interessenkonglomerat zwischen Auslandsvertretungen und den diversen privaten Anbietern von Reiseschutzpässen, Carnets de Touriste usw., weitgehend unbeachtet. Vielleicht sollten die heute politisch Verantwortlichen die Erkenntnisse noch einmal lesen.