13.01.2017
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Abschiebestopp für Afghanistan und faire Asylverfahren für Afghan*innen: Das BMI muss die Realität in Afghanistan endlich zur Kenntnis nehmen. Foto: picture alliance / zumapress.com

Die Situation in Afghanistan war im vergangenen Jahr so dramatisch wie lange nicht – das bestätigt auch ein aktueller UNCHR-Bericht zu Afghanistan. Das Bundesinnenministerium muss endlich die Fakten zur Kenntnis nehmen: Die Entscheidungspraxis für AfghanInnen muss dringend geändert werden.

Trotz desas­trö­ser Lage in Afgha­ni­stan wur­den 2016 rund 25.000 Asyl­ge­su­che von Afghan*innen abge­lehnt. Schuld dar­an ist eine durch das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um (BMI) initi­ier­te rigi­de Ent­schei­dungs­pra­xis des BAMF, die die immer dra­ma­ti­sche­re Sicher­heits­si­tua­ti­on im Land übergeht.

Afghanistan ist nicht sicher!

Der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter wird nicht müde, auf angeb­lich »siche­re« Gebie­te inner­halb Afgha­ni­stans zu ver­wei­sen. Der UNHCR-Bericht für 2016 stellt dage­gen fest, dass ganz Afgha­ni­stan von einem inner­staat­li­chen bewaff­ne­ten Kon­flikt im Sin­ne des Art. 15 c der EU-Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­nie erfasst ist. Zwi­schen siche­ren und unsi­che­ren Regio­nen kön­ne man »auf­grund der sich stän­dig ändern­den Sicher­heits­la­ge« in dem Bür­ger­kriegs­land gar nicht unter­schei­den, heißt es im UNHCR-Bericht weiter.

Abgelehnte Anträge müssen neu geprüft werden

Für afgha­ni­sche Flücht­lin­ge ist ange­sichts die­ser Fak­ten­la­ge eine Kehrt­wen­de in der Ent­schei­dungs­pra­xis erfor­der­lich. Die in der Ver­gan­gen­heit abge­lehn­ten Asyl­an­trä­ge bedür­fen einer neu­en Über­prü­fung. »Bei einem bereits län­ger zurück­lie­gen­den nega­ti­ven Abschluss eines Asyl­ver­fah­rens wird somit häu­fig Anlass bestehen, auf­grund der Ver­än­de­rung der Fak­ten­la­ge eine neue Ermitt­lung des Schutz­be­darfs vor­zu­neh­men,« schluss­fol­gert UNHCR.

Sicherheitslage weiter verschärft

Seit April 2016 habe sich laut UNHCR die Situa­ti­on im Land rapi­de ver­schärft: »Im Lau­fe des Jah­res 2016 hat sich der inner­staat­li­che bewaff­ne­te Kon­flikt in Afgha­ni­stan wei­ter aus­ge­brei­tet und ist durch eine Frag­men­tie­rung und Stär­kung der auf­stän­di­schen Kräf­te gekenn­zeich­net.« Immer wie­der bre­chen Kämp­fe zwi­schen den afgha­ni­schen Sicher­heits­kräf­ten, den Tali­ban, diver­sen War­lord-Mili­zen und neu­en Grup­pen, die mit dem IS ver­bun­den sind, aus.

Tausende Tote und Verletzte

Auf die Zivil­be­völ­ke­rung neh­men die Kriegs­par­tei­en kaum Rück­sicht. Mit 1.601 toten und 3.565 ver­letz­ten Zivi­lis­ten war das ers­te Halb­jahr 2016 der dra­ma­tischs­te Halb­jah­res­zeit­raum seit 2009. Rekord­zah­len auch bei Bin­nen­ver­trie­be­nen: Bis Mit­te Dezem­ber zähl­te der UNHCR 2016 mehr als 530.000 neu durch Kon­flik­te Ver­trie­be­ne inner­halb Afgha­ni­stans (UNCHR-Bericht, Sei­te 4). Die­se Zahl kommt zu den mehr als 1,2 Mil­lio­nen Bin­nen­ver­trie­be­nen dazu, die laut Ver­ein­ten Natio­nen schon vor län­ge­rer Zeit flie­hen muss­ten. Ins­ge­samt waren bis Ende 2016 also ins­ge­samt mehr als 1,7 Mil­lio­nen Men­schen inner­halb Afgha­ni­stans auf der Flucht.

Abschiebestopp und faire Asylverfahren für Afghan*innen!

Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan sind bar jeder Ver­ant­wor­tung. Die jüngs­te Initia­ti­ve des schles­wig-hol­stei­ni­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums für einen Abschie­be­stopp nach Afgha­ni­stan ist grund­sätz­lich zu begrü­ßen. Eben­so wich­tig sind jedoch fai­re Asyl­ver­fah­ren für afgha­ni­sche Schutz­su­chen­de, in denen die sich rapi­de ver­schlech­tern­de Sicher­heits­la­ge im Land und das indi­vi­du­el­le Flucht­schick­sal end­lich Rück­sicht finden.