13.01.2015
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Die Bekaa-Ebene im Libanon: Syrische Flüchtlinge befreien ihre Behelfsunterkünfte von den Schneemassen. Foto: flickr / UNHCR

Bittere Kälte und Schneestürme verschärfen die ohnehin dramatische Situation von Millionen syrischen Flüchtlingen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und bis zu einem halben Meter Schnee brachen Zelte zusammen, Menschen erfroren und Hunderte wurden obdachlos. Hinzu kommt: Da die internationale Hilfe nicht ausreicht, hat der Libanon nun seine Grenzen für Flüchtlinge geschlossen.

Wenn der Schnee schmilzt, droht eine zwei­te Katastrophe

Die Win­ter­stür­me „Huda“ und „Zai­na“ haben in der letz­ten Woche im gan­zen Nahen Osten ver­hee­ren­de Schä­den ange­rich­tet. Es waren mit die hef­tigs­ten Schnee­stür­me aller Zei­ten in der Regi­on. Beson­ders hart wur­de das Bekaa-Ebe­ne im Liba­non getrof­fen. Dort leben mehr als 400.000 syri­sche Flücht­lin­ge – vie­le von ihnen in Zelt­la­gern und Not­be­hau­sun­gen. Unter den Schnee­mas­sen bra­chen Zel­te und Hüt­ten zusam­men, min­des­ten sie­ben Per­so­nen sind nach offi­zi­el­len Anga­ben erfro­ren und hun­der­te Men­schen muss­ten eva­ku­iert wer­den. Wenn der Schnee schmilzt, droht eine zwei­te Kata­stro­phe. „Über­schwem­mun­gen sind in nied­ri­ge­ren Lagen bereits jetzt ein erns­tes Pro­blem, und wenn der Schnee in den Höhen­la­gen taut, wird sich die Situa­ti­on ver­schär­fen“, erklärt der UNHCR.

Nicht nur im Liba­non ver­schlim­mert sich die Situa­ti­on zuse­hends. Der Krieg in Syri­en geht in 2015 ins fünf­te Jahr. Die Hälf­te der syri­schen Bevöl­ke­rung ist zu Flücht­lin­gen gewor­den. 3,4 Mil­lio­nen Flücht­lin­ge leben  nach Anga­ben der Ver­ein­ten Natio­nen im Liba­non, Jor­da­ni­en und der Tür­kei – die tat­säch­li­chen Flücht­lings­zah­len könn­ten deut­lich höher sein. Ledig­lich vier Pro­zent der syri­schen Flücht­lin­ge ist nach Euro­pa geflo­hen. Im Liba­non ist mitt­ler­wei­le jeder fünf­te Bewoh­ner ein Flücht­ling. Der Win­ter ver­schärft in allen Nach­bar­län­dern die Situa­ti­on: Vie­le Flücht­lin­ge besit­zen nicht mehr als das, was sie bei ihrer Flucht am Leib tru­gen – oft nur Som­mer­klei­dung und San­da­len. Es fehlt an Decken, Unter­künf­ten und Heizmaterial.

Syri­ens Nach­bar­län­der: Sozia­le Span­nun­gen und Angrif­fe neh­men zu

Die Situa­ti­on hat erheb­li­che sozia­le und wirt­schaft­li­che Fol­gen. Die gro­ße Auf­nah­me­be­reit­schaft wird in allen Nach­bar­län­dern zuse­hends von sozia­len Kon­flik­ten, ras­sis­ti­schen Angrif­fen und Flücht­lings­feind­lich­keit über­schat­tet. Der Liba­non hat nun die Visums­pflicht für syri­sche Flücht­lin­ge ein­ge­führt. Auch die ande­ren Nach­bar­staa­ten Syri­ens haben immer wie­der ihre Gren­zen für Flücht­lin­ge geschlos­sen. Ange­sichts unzu­rei­chen­der finan­zi­el­ler Hil­fen und feh­len­der Auf­nah­me­zu­sa­gen wer­den in 2015 immer mehr Men­schen, die vor Ter­ror und Krieg aus Syri­en flie­hen, vor ver­schlos­se­nen Türen stehen.

Immer wie­der hat­ten die Nach­bar­staa­ten dra­ma­ti­sche Hilfs­a­pel­le gestar­tet. Die Bot­schaft: Wenn die west­li­chen Staa­ten nicht mehr Flücht­lin­ge auf­neh­men wür­den, dro­he der Zusam­men­bruch. Doch die Welt lässt syri­sche und ira­ki­sche Flücht­lin­ge wei­ter im Stich: Seit 2013 wur­den sei­tens der indus­tria­li­sier­ten, west­li­chen Staa­ten Auf­nah­me­zu­sa­gen für ins­ge­samt ledig­lich 100.000 Men­schen gemacht.

Deut­sche Auf­nah­me­po­li­tik: Ange­hö­ri­ge tra­gen die Hauptlast

Mit den rund 30.000 Auf­nah­me­zu­sa­gen seit 2013 steht die Bun­des­re­pu­blik im Ver­gleich zu den ande­ren Staa­ten ver­gleichs­wei­se gut da. In Deutsch­land gibt es jedoch eine deut­lich grö­ße­re syri­sche Dia­spo­ra als in ande­ren Indus­trie­staa­ten. Die Ange­hö­ri­gen der Kriegs­op­fer sind es, die die Rei­se­kos­ten und den Lebens­un­ter­halt eines Groß­teils der Auf­ge­nom­me­nen tra­gen. Das deut­sche Kon­tin­gent reicht zudem bei wei­tem nicht aus: Bereits vor dem jüngs­ten Exodus waren 76.000 Anträ­ge von in Deutsch­land leben­den Ange­hö­ri­gen ein­ge­gan­gen. Für ira­ki­sche Flücht­lin­ge, die in gro­ßer Zahl vor der Ter­ror­mi­liz des IS flie­hen muss­ten, öff­net die Bun­des­re­pu­blik nach wie vor über­haupt kei­ne lega­len Einreisewege.

Die feh­len­de Auf­nah­me­be­reit­schaft und die feh­len­den finan­zi­el­len Hil­fen las­sen für 2015 nichts Gutes erah­nen: Solan­ge der Druck in den Nach­bar­staa­ten wächst und lega­le Wege feh­len, wer­den immer mehr Men­schen eine immer gefähr­li­che­re Wei­ter­flucht wagen. Das Mas­sen­ster­ben im Mit­tel­meer droht damit auch 2015 weiterzugehen.

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